Über 13 Millionen Menschen verfolgten nur auf BBC den Match. Jeder hat wohl eine persönliche Erinnerung daran. An den Schock, als Roger Federer in seinem Wohnzimmer zwei Sätze gegen Rafael Nadal verlor. Als Magier Federer, nicht Torero Nadal, zum heroischen Kämpfer wurde. Damals, als es immer wieder regnete, als es dunkel wurde ...
Nach 4 Stunden und 48 Minuten – 4:6, 4:6, 7:6, 7:6, 7:9 – war der König nach 65 Siegen auf Rasen und fünf Wimbledon-Titeln in Folge entthront. Der Match geht als epischer, grösster in die Tennisgeschichte ein. Für Federer war es die härteste Niederlage seiner gesamten Karriere. «Ein Herzensbrecher, kein Zweifel.»
Ob er seinen Gedanken einen Abstecher zehn Jahre zurück erlaubt, wenn er heute mit dem Deutschen Jan-Lennard Struff den Centre Court betritt? Kaum. «Das bringt mir nichts. In den letzten zehn Jahren wollte ich den Final 2008 vergessen», sagt der 36-Jährige.
Dennoch war Federer im Vorfeld bereit, sich für die Dokumentation «Strokes of Genius» zu erinnern. Die fast zweistündige Verfilmung des 2009 erschienenen Buches von US-Journalist Jon Wertheim von «Tennis Channel» kann seit dieser Woche auf iTunes geladen werden. «Lustigerweise hatte ich von gewissen Dingen keine Ahnung mehr, als sie mich fragten», so Roger. «Ich weiss noch, dass es dunkel wurde, aber die Regenunterbrüche hatte ich vergessen.»
Selbst Nadal, für den der dramatische, erste Wimbledon-Triumph die Welt bedeuten muss, will den geilsten Match der Geschichte nicht überbewerten. «Es war grossartig, ist aber lange her. Wichtige Dinge im Leben änderten sich dadurch nicht.»
Roger vermutet, dass es Rafa, mit dem er nach 38 Duellen in 14-jähriger Rivalität freundschaftlich verbunden ist, womöglich unangenehm ist, darauf herumzureiten. «Auch wenns kein Problem wäre, es war ein wichtiger Moment für ihn. Aber für mich ist es wohl härter, darüber zu sprechen.»
Der Film lässt vor allem Bilder sprechen. Untermalt von virtuosem Geigenspiel geht die Geschichte unter die Haut. Wie auch allen damals involvierten Personen, die zu Wort kommen: John McEnroe, der Roger beim ersten Interview lieber umarmte als befragte. Severin Lüthi, der erzählt, wie Roger in einer Regenpause durch Mirkas Standpauke geweckt wurde. Und Björn Borg, der Federer gut versteht, weil er 1981 nach fünf Wimbledon-Titeln in Serie von McEnroe entthront wurde.
Der Schwede beendete danach abrupt seine Karriere. Nicht so der Schweizer, der heute als 20-facher Grand-Slam-Sieger unermüdlich um die Krone kämpft.
Im Schaukelstuhl mit Rafa werde er das Erlebnis irgendwann positiv sehen. Etwas Gutes erkennt er schon heute: «Die Niederlage machte mich in den Augen der Leute menschlicher.»