Blick: Die Federer-Rücktrittsnachricht ist seit ein paar Stunden draussen. Haben Sie seither eine ruhige Sekunde gehabt?
Severin Lüthi: Ich muss sagen, es läuft schon gerade sehr viel! Ich habe unzählige Nachrichten bekommen. Die Leute sind überrascht. Wir waren gerade mit der Mannschaft auf dem Platz und versuchen uns trotz allem zu fokussieren.
Sie sind seit 15 Jahren im Federer-Tross unterwegs. Ihr beide kennt euch in- und auswendig. Wie waren die letzten Wochen?
Wir haben wenig trainiert. Es war in dem Sinne nicht wie immer. In den letzten Wochen hat sich die Entscheidung angebahnt.
Passt das Wort Erleichterung? Erleichterung, dass der Entscheid nun gefallen ist.
Erleichterung, dass der Entscheid draussen ist, ja. Aber natürlich hätte ich gerne gehabt, wenn er noch weiter hätte spielen können. Aber nun ist gut, dass die Leute Bescheid wissen.
Beim unserem letzten Treffen mit ihm wirkte Federer sehr abgeklärt rund um seine Verletzungsgeschichte. War das ein gutes Pokerface oder war er wirklich so?
Das Treffen ist schon eine Weile her, wenn ich mich recht erinnere?
Genau, im letzten Spätsommer. Nach der Operation.
Er war immer sehr positiv, glaubte ans Gute. Er wusste auch immer, dass ihm das Leben auch neben dem Platz viel bietet. Also war er nie am Boden. Klar, ein bisschen Pokerface gehört manchmal auch dazu, wenn es einem nicht so gut geht. Das hat Roger als Spieler auf dem Platz gelernt.
Wir haben schon viele Reaktionen eingeholt. Sie sind im Moment mit Swiss Tennis in Ecuador. Wie waren die Reaktionen im Schweizer Team?
Die Leute im Schweizer Team sind traurig, dass es vorbei ist. Verständlich. Ich habe ihnen aber gesagt, dass es wichtig ist, dass wir seine Karriere feiern und nicht nur bedauern, dass es jetzt zu Ende ist. Roger hat ja angekündigt, dass er dem Tennis weiterhin erhalten bleiben wird. Also ist es auch ein Tag, an dem wir uns freuen können.
Wie gross war die Nervosität im Staff vom Roger Federer, dass die News leaken könnte?
Das ist immer bisschen heikel. Ich habe über all die Jahre gelernt, wenig zu sagen. Es ist für Roger wichtig, dass er weiss, dass er uns, dem engen Team, vertrauen kann. Manchmal muss man da auf eine Notlüge zurückgreifen, damit nichts raus sickert. Das ist so. So schützen wir uns.
Wir tappen ja über den Formstand vom Roger völlig im Dunkeln. Was werden wir beim Laver Cup von ihm sehen?
Es ist noch nichts definitiv. Ich habe letzte Woche mit ihm trainiert, wir werden nächste Woche wieder auf dem Platz sein. Das Ziel ist, dass er «etwas» spielen kann. Ob Einzel oder Doppel ist noch nicht klar.
Werden Sie wehmütig sein, wenn dieses grosse Federer-Abenteuer vorbei ist?
Es gibt Momente, wo ich selber aufpassen muss, dass ich nicht zu emotional werde. Wir hatten eine unglaubliche Zeit. Wir haben so viel zusammen erlebt, auf und neben dem Platz. Gleichzeitig, weiss ich, dass wir befreundet bleiben werden und darauf freue ich mich.
Wie wird es für Sie persönlich weitergehen?
Für mich war es schwierig in den letzten Monaten. Ich hatte zwei, drei Anfragen von anderen Spielern, die mit mir arbeiten wollten. Aber ich habe gemerkt, dass ich nicht fähig war, einen Entscheid zu fällen. Ich muss dieses Buch zuerst zu Ende schreiben. Dann geht es dann auch für mich weiter. Ich habe ja schon einige Mandate und dazu auch noch ein paar Ideen.
Danke fürs Gespräch und viel Glück in Ecuador.