BLICK: 17 Teilnahmen, zehn Endspiele, sechs Titel. Was bedeuten Ihnen die ATP-Finals?
Roger Federer: Es ist das Saisonende, auf das ich gehofft habe, wovon ich geträumt habe – gleich wie alle anderen hier. Aber es ist natürlich etwas anders, wenn du jünger bist. Dass sich so viele Junge und neue Typen wie Matteo Berrettini qualifiziert haben, freut mich. Ich erinnere mich noch gut an meine Premiere 2002. Die erste Qualifikation hat mir viel gebracht. Die Gruppenspiele erfordern Anpassung im Kopf. Du kannst verlieren und trotzdem weiterkommen. Das kann bei den Neuen während dem Match zu Fragezeichen führen.
Ihre Gruppe ist schwierig...
Und nicht nur das – auch für uns, die zu den Weltbesten gehören, ist es schwierig, sofort aus den Startlöchern zu kommen. Du bist daran, die Bedingungen kennenzulernen, Timing und Rhythmus zu finden. Aber der Druck ist sofort da – vor allem, wenn du weisst, dass du Weltnummer 5 Dominic Thiem, gegen den du dieses Jahr zweimal verloren hast, quasi unbedingt schlagen musst, weil später in der Gruppe noch Novak Djokovic wartet!
Ihr letztes Duell in Wimbledon war episch. Sind Sie in der Halle im Vorteil?
Ich hoffe es doch! Aber leider ist Novak auch nicht so schlecht... Wimbledon war speziell für uns beide – allerdings etwas toller für ihn als für mich. Aber hier wird Best-of-3 gespielt, der Belag ist sehr schnell und liegt mir. Hier in London ist es wie fast überall bei Hallenturnieren: als kehrte ich nach Hause zurück. Indoor ist einfach nostalgisch für mich. In der Halle hatte ich meine ersten Erfolge, konnte mein Ranking verbessern. Was auch gut ist: Die Bälle sind die gleichen wie in Basel, in Paris-Bercy benutzen sie eine andere Marke. Ich konnte nun fast einen Monat mit den gleichen Bällen spielen, das ist selten und hilft sicher. Gegenüber Basel und Zürich hat sich nur die Höhenlage ein wenig geändert.
Haben Sie es also nicht bereut, Paris ausgelassen zu haben?
Eine Pause ist schön. Dann fällt dir der Tennis-Alltag wieder etwas leichter und du hast Lust, zu trainieren. Ich habe keine Probleme mit dem Körper, bin motiviert, hungrig und hoffe, dass 2019 noch ein gutes Turnier in mir steckt. Genauso will ich mich vor einer Weltmeisterschaft fühlen.
Viele andere sind Ende der Saison angeschlagen...
Vielleicht nimmt man gegen Ende der Saison generell etwas mehr Schmerztabletten. Es ist kalt draussen, was die Probleme noch verstärkt. Je mehr Probleme du hast, desto mehr Kompromisse musst du eingehen. Dann brauchst du viel positive Energie, um noch gut zu spielen. Aber ich fühle mich jetzt wunderbar, das ist ein Privileg!
Wie haben Sie sich mental von der aufreibenden Woche daheim in Basel erholt?
Weg sein von Trainingsplätzen, Zeit mit der Familie, mit Mirka verbringen, mit Freunden verabreden. Einfach im normalen Alltag den Rhythmus suchen, nicht auf den Transport warten, trainieren, tapen, essen... Mit vier Kindern läuft immer was und ich kann sie begleiten, mit ihnen sprechen. Das sind Dinge, für die mir sonst manchmal die Zeit fehlt.
Glauben Sie, das Publikum wird in London wieder voll auf Ihrer Seite sein?
Sehen Sie, ich schätze es immer, wenn die Fans mich unterstützen – egal wo auf dieser Welt. Wenn sie da sind, toll, wenn nicht, verstehe ich das auch. Ich bin aber froh, dass Tennis-Fans generell fair und höflich ist. Ich denke, hier sind die Leute sehr glücklich, dass sie Tickets für die O2-Arena haben und uns Profis sehen.
In Sydney wird indes getrauert, weil Sie den ATP-Cup abgesagt haben, dafür einen Showkampf in China spielen.
Als ich erfuhr, dass Stan nicht spielt und meine Familie nicht nach Sydney kommt, hatte der ATP-Cup für mich einfach nicht mehr die gleiche Priorität. Die liegt für mich zunächst auf den Exhibitions in Südamerika, da wollte ich schon immer mal spielen. Aber es ging nie – mal wegen meines Knies, mal wegen meiner Kinder. Dann sind natürlich die Australian Open wichtig, und mein anschliessendes Traummatch in Südafrika gegen Rafa Nadal, mit dem ich schon seit zwei, drei Jahren auf ein Date hoffe, liegt mir sehr am Herzen. Im Hinblick auf Wimbledon und Olympia in Tokio musste einfach etwas im Kalender dran glauben. Nun war es halt der ATP-Cup. Ich treffe eine solche Entscheidungen nicht gerne. Sie hing aber auch damit zusammen, dass meine Familie mit zu den Spielen nach Japan reisen wird. Mirka und ich kamen zum Schluss, dass es für die Kiddies wichtiger ist, länger an einem Ort zu sein. Nach dem Showkampf in China werde ich somit wieder zurück nach Dubai fliegen, wo mir dann immerhin nochmals zwei Wochen bleiben.