1969 zieht es den 23-jährigen Robert Federer in die Fremde. Er kündigt seinen Job bei der Ciba-Geigy in Basel und will hinaus in die grosse Welt. Nur: wohin? Die USA behandelten Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen schon damals restriktiv. «Australien war eine Option. Die haben damals Einwanderer gesucht und haben den Leuten gar das Flugticket bezahlt», erinnert sich Robert Federer. Auch der junge Staat Israel suchte Arbeitskräfte und warb um Zuwanderer. Ebenso wie Südafrika.
Die Wahl des jungen Mannes fällt auf das Land am Kap der Guten Hoffnung. Er packt seine Sachen und fliegt nach Johannesburg. Nach kurzer Jobsuche findet er eine Stelle als Laborant bei der Niederlassung seines ehemaligen Arbeitgebers Ciba-Geigy – Robert Federer ist wieder beim selben Arbeitgeber, bei dem er gerade erst gekündigt hat. Wenn er in der Mittagspause mit seinen neuen Kollegen in die Kantine geht, führt sein Weg an einem Eckbüro vorbei, in dem eine gewisse Lynette Durand ihren Arbeitsplatz hat. Immer wieder treffen sich ihre Blicke: «Und eines Tages stand er plötzlich in meinem Büro. Aber er musste erst sein Englisch verbessern, um sich mit mir unterhalten zu können», berichtet Lynette, die heute Federer heisst und einen berühmten Sohn namens Roger hat.
50 Jahre später: Robert und Lynette Federer sitzen am Tisch ihres Hauses in Bottmingen und erzählen von Südafrika. In einem Monat trifft sich die Familie in Kapstadt. Wenn Roger in seinem «Match in Africa» auf seinen Kumpel Rafael Nadal trifft, sind auch zahlreiche Verwandte und Freunde dabei – vor einer Weltrekordkulisse von 50 000 Zuschauern. Es ist der erste grosse Auftritt für Roger Federer in dem Land, von dem er als Schweizer Doppelbürger ebenfalls einen Pass besitzt. Für ihn ist es eine Herzensangelegenheit.
Für seine Mutter Lynette bedeutet diese Reise fast noch mehr. Nach bald 50 Jahren in der Schweiz klagt sie zwar längst nicht mehr über Heimweh. Doch nach der Weite und Wildheit Südafrikas hat sie sich lang gesehnt. Was genau hat ihr da gefehlt? «Vielleicht etwas die Grosszügigkeit der Menschen im Denken. Hier gibt es schon eine gewisse Enge, die man in Südafrika nicht kennt.»
Roger Federers Mutter kehrt immer wieder in ihre Heimat zurück. Früher waren ihre beiden Kinder mit dabei. Auch Weihnachten verbrachten sie dann auf der Farm ihres Bruders ausserhalb von Johannesburg. Die Erinnerungen an die alte Heimat sind Lynette bis ins letzte Detail präsent. Einst gestand sie: «Offenbar spreche ich im Schlaf ab und zu Afrikaans!»
Lynette Federer, woran denken Sie als Erstes beim Stichwort Südafrika?
Lynette Federer: An die Weite und die Schönheit des Landes. An meine wunderbare Jugend. Auch daran, wie ich als kleines Mädchen unter einem Baum in unserem grossen Garten meine Hausaufgaben gemacht habe.
Wo sind Sie aufgewachsen?
In Kempton Park, zwanzig Kilometer ausserhalb von Johannesburg. Ich war das jüngste von vier Kindern. Meine Mutter war Krankenschwester und in der ganzen Region bekannt. Sie war so etwas wie die gute Seele von Kempton Park.
Damals herrschte noch das Apartheid-Regime.
Ich rede nicht gern über Politik. Auch als Kind war das für mich kein grosses Thema. Ich lebte immer in einem offenen und toleranten Umfeld. Diese Einstellung haben mir meine Eltern mitgegeben.
Woher stammt denn Ihre Familie?
Ganz ursprünglich waren wir wohl aus Frankreich zugewanderte Hugenotten. Aber meine Eltern lebten schon in der dritten oder vierten Generation in Südafrika. Mein Vater kämpfte im Zweiten Weltkrieg für England, weil Südafrika damals ja eine britische Kolonie war. Er war lange in Europa stationiert. Und als er zurückkam, da hat er darauf bestanden, dass wir Kinder eine englische Schule besuchen. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar, weil wir neben Afrikaans auch früh Englisch gelernt haben.
Das half dann auch, einen Job im Sekretariat von Ciba-Geigy zu bekommen?
Ja. Das war nach der Handelsschule meine erste Stelle.
Dort lernten Sie Ihren Mann Robert kennen. Wann sind Sie zu ihm gezogen?
Wir haben in Südafrika nie zusammengewohnt. Das waren noch andere Zeiten. Auch, als wir 1973 in die Schweiz kamen, zogen wir erst nach der Hochzeit zusammen.
Waren Sie vor der definitiven Auswanderung schon ferienhalber in der Schweiz?
Nein. Dafür hat uns das Geld gefehlt. Ein Flug in die Schweiz kostete damals 1800 Franken. Das konnten wir uns nicht leisten.
Sie wussten also wenig von Ihrer neuen Heimat?
Mein Mann hat mir einiges erzählt. Aber ich war, wie er auch, immer neugierig und offen für Neues, wollte schon immer einmal nach Europa und habe dafür auch Geld gespart. Ich hätte zwar eher gedacht, dass ich einmal nach England arbeiten gehe. Aber dann war es halt die Schweiz.
Und Sie haben das nie bereut?
Die ersten zehn Jahre waren nicht ganz einfach. Mein Mann war viel unterwegs, und ichwar mit den Kindern viel allein und auf mich gestellt. Aber bereut habe ich es nie.
Fehlt Ihnen Südafrika heute?
Wer einmal in Südafrika gelebt hat, den zieht es immer wieder dahin. Ja, ich spüre meine Wurzeln immer noch, die Wildheit und die Freiheit, die ich in diesem Land erlebt habe. Auch die Liebe zur Natur habe ich in meiner Kindheit in Südafrika entdeckt.
Jetzt spielt Ihr Sohn erstmals in Ihrer alten Heimat Südafrika – vor 50'000 Zuschauern in Kapstadt gegen Rafael Nadal. Das muss auch für Sie eine sehr emotionale Angelegenheit sein.
Natürlich. Ich freue mich extrem, dass das geklappt hat. Es wird für die ganze Familie ein ganz spezieller Moment. Es kommen auch viele Verwandte und Freunde. Und ich hoffe, dass der Funke zum Publikum überspringt.
Die Tränen bei Familie Federer sind programmiert.
Wie gesagt: Es ist für uns eine emotionale Geschichte. Und wir sind ja alle nah am Wasser gebaut.
Wie populär ist Roger in Südafrika?
Sehr populär! Das Spiel in Kapstadt war innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft. Aber wir erhalten auch sehr viele Briefe und Reaktionen. Man spürt, dass die Südafrikaner stolz sind auf Roger und seine Karriere intensiv begleiten. Er ist auch in den südafrikanischen Medien ein grosses Thema. Darum ist es toll, dass dieses «Match in Africa» zustande gekommen ist. Ich weiss, dass es Roger extrem viel bedeutet, wenn er als Botschafter für eine gute Sache unterwegs ist.
Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Sie als Frau Federer in Südafrika unterwegs sind?
Da gibt es immer wieder überraschte Reaktionen von Menschen. Wenn ich beispielsweise mit meiner Kreditkarte bezahle und die Leute den Namen Federer sehen. Dann wollen sie wissen, ob ich mit Roger etwas zu tun habe. Und dann sage ich jeweils: «Ja, ich bin seine Mutter.»
Und dann?
Dann kommt vielfach ungläubiges Staunen. Und dann wollen sie plötzlich alles wissen. Ich frage dann aber relativ schnell: «Haben Sie auch Kinder?»
Warum diese Frage?
Weil man damit alles relativieren kann. Wenn die Leute von ihren eigenen Kindern erzählen, ist man plötzlich auf Augenhöhe. Dann spielt der Name keine Rolle mehr.
Sind Ihnen solche Situationen manchmal peinlich?
Nein. Aber ich bin einfach eine Mutter wie jede andere auch. Alle Mütter, alle Eltern sind irgendwie stolz auf ihre Kinder. Wenn Ihr Kind die Lehrabschlussprüfung besteht, empfinden Sie den gleichen Stolz wie ich, wenn Roger ein grosses Turnier gewinnt. Die Gefühle sind genau dieselben, nur die Bühne ist eine andere.
Aber Sie reiben sich auch nach zwanzig Jahren noch die Augen, was für eine Karriere Ihr Sohn gemacht hat ...
Natürlich gibt es immer wieder solche Momente. Wenn er das hundertste Turnier gewinnt oder solche Sachen. Am meisten staune ich aber darüber, mit welchem Feuer und welchem Eifer er dabei ist. Er witzelt noch mit seinen Gegnern in der Garderobe, spielt ihnen den einen oder anderen Streich. Irgendwie ist er noch immer mit einer fast kindlichen Freude dabei. Das ist ein gutes Zeichen.
Aus dem sechsten «Match for Africa» wird erstmals das «Match in Africa». Roger Federer spielt am 7. Februar in Kapstadt gegen Rafael Nadal – ein emotionales Highlight in Federers Karriere. Noch nie hat er in Südafrika gespielt. «Mit diesem Match wird ein Traum wahr», sagt Federer. «Im Heimatland meiner Mutter gegen meinen härtesten Rivalen und Freund.» Der Event wird zu einem Weltrekord. Im «Cape Town Stadium» finden 50'000 Zuschauer Platz. Mehr Fans verfolgten noch nie ein Tennisspiel. Der Erlös des Benefizevents kommt der «Roger Federer Foundation» zu. Diese hat seit 2003 über 1,2 Millionen Kindern geholfen und den Zugang zu Schuldbildung ermöglicht. Total wurden schon über 45 Millionen Franken investiert. Allein mit seinen bisher fünf «Matches for Africa» sammelte Federer knapp 10 Millionen Franken.
Aus dem sechsten «Match for Africa» wird erstmals das «Match in Africa». Roger Federer spielt am 7. Februar in Kapstadt gegen Rafael Nadal – ein emotionales Highlight in Federers Karriere. Noch nie hat er in Südafrika gespielt. «Mit diesem Match wird ein Traum wahr», sagt Federer. «Im Heimatland meiner Mutter gegen meinen härtesten Rivalen und Freund.» Der Event wird zu einem Weltrekord. Im «Cape Town Stadium» finden 50'000 Zuschauer Platz. Mehr Fans verfolgten noch nie ein Tennisspiel. Der Erlös des Benefizevents kommt der «Roger Federer Foundation» zu. Diese hat seit 2003 über 1,2 Millionen Kindern geholfen und den Zugang zu Schuldbildung ermöglicht. Total wurden schon über 45 Millionen Franken investiert. Allein mit seinen bisher fünf «Matches for Africa» sammelte Federer knapp 10 Millionen Franken.
Ein Kommentar von BLICK-Sportchef Felix Bingesser.
2020 wird zum Sportjahr der Superlative. Die EM-Endrunde der Handballer in Schweden mit Schweizer Beteiligung macht den Auftakt. Dann die Eishockey-WM in Zürich und Lausanne. Im Frühsommer die EM-Endrunde im Fussball. Dann die Olympischen Sommerspiele in der Glutofenhitze von Tokio. Und das Jubiläums-Schwingfest in Appenzell.
Aber einen ersten und wohl sporthistorischen Moment gibt es schon am 7. Februar mit dem «Match in Africa» zugunsten der Stiftung von Roger Federer. Die sportliche Bedeutung des Anlasses ist überschaubar. Aber wenn Federer in der Heimat seiner Mutter gegen seinen Kumpel Rafael Nadal aufschlägt, dann wird das eine hochemotionale Geschichte.
Für die 50 000 Zuschauer im Stadion in Kapstadt, für Roger Federer («Ein Traum wird wahr»), der neben dem Schweizer auch den südafrikanischen Pass besitzt und in der Heimat seiner Mutter so verehrt wird wie in der Schweiz.
Vor allem aber für Lynette Federer, die in Südafrika geboren und aufgewachsen ist und die ein Teil ihres Herzens immer in ihrer Heimat gelassen hat. «Wer einmal in Südafrika gelebt hat, kehrt immer wieder dahin zurück», sagt sie im Gespräch mit dem SonntagsBlick.
Woher hat Roger Federer eigentlich sein Talent? Die Lockerheit, sagt er selbst, hat er von seinem Vater. Die Gewissenhaftigkeit, den Willen und den Fokus auf den Sport eher von der Mutter.
Ja, eigentlich ist Robert Federer der Afrikaner im Haus.
Ein Kommentar von BLICK-Sportchef Felix Bingesser.
2020 wird zum Sportjahr der Superlative. Die EM-Endrunde der Handballer in Schweden mit Schweizer Beteiligung macht den Auftakt. Dann die Eishockey-WM in Zürich und Lausanne. Im Frühsommer die EM-Endrunde im Fussball. Dann die Olympischen Sommerspiele in der Glutofenhitze von Tokio. Und das Jubiläums-Schwingfest in Appenzell.
Aber einen ersten und wohl sporthistorischen Moment gibt es schon am 7. Februar mit dem «Match in Africa» zugunsten der Stiftung von Roger Federer. Die sportliche Bedeutung des Anlasses ist überschaubar. Aber wenn Federer in der Heimat seiner Mutter gegen seinen Kumpel Rafael Nadal aufschlägt, dann wird das eine hochemotionale Geschichte.
Für die 50 000 Zuschauer im Stadion in Kapstadt, für Roger Federer («Ein Traum wird wahr»), der neben dem Schweizer auch den südafrikanischen Pass besitzt und in der Heimat seiner Mutter so verehrt wird wie in der Schweiz.
Vor allem aber für Lynette Federer, die in Südafrika geboren und aufgewachsen ist und die ein Teil ihres Herzens immer in ihrer Heimat gelassen hat. «Wer einmal in Südafrika gelebt hat, kehrt immer wieder dahin zurück», sagt sie im Gespräch mit dem SonntagsBlick.
Woher hat Roger Federer eigentlich sein Talent? Die Lockerheit, sagt er selbst, hat er von seinem Vater. Die Gewissenhaftigkeit, den Willen und den Fokus auf den Sport eher von der Mutter.
Ja, eigentlich ist Robert Federer der Afrikaner im Haus.