In Zeiten der Ungewissheit, wie es im Tenniszirkus und an den bevorstehenden Grand-Slam-Turnieren weitergeht, wurde in Spielerkreisen viel gestänkert, kritisiert und angefeindet. Die Twitter-, Instagram- und Facebook-Kanäle liefen heiss. Eine Schere tat sich auf: zwischen Top-Stars, die auf Quarantäne und Geisterspiele pfeifen, und den Profis, die einen lukrativen Einsatz nach der Corona-Pause bitter nötig haben.
Stars werden mit aussergewöhnlichem Angebot gelockt
Nun herrscht etwas mehr Gewissheit. Die US Open im Corona-Hotspot New York finden vom 31. August bis 13. September statt. Ohne Fans, ohne Medien (ausser dem Fernsehsender ESPN) und mehrheitlich ohne Linienrichter, die ausser auf zwei grossen Centre Courts durchs Hawk Eye ersetzt werden. Mit Maskenpflicht, Corona-Tests, Fiebermessungen und dem hohen Gebot des Abstandhaltens.
Über die Punkteverteilung für die Weltrangliste und eine leichte Reduktion des Preisgeldes wird bei der ATP und WTA noch debattiert. Dafür ist Entertainment für die Teilnehmer, die in ihrer Freizeit nicht über die 5th Avenue im Big Apple schlendern dürfen, garantiert: Flushing Meadows soll zum Vergnügungspark werden mit vielen Restaurants und Cafés, Fussball-, Basketball- oder Golf-Angebot, Kinos und Game-Einrichtungen.
Und plötzlich wird es in den sozialen Netzwerken viel leiser als zuvor. Die neue Situation muss evaluiert werden. Von den Hot-Shots der Szene kündigte einzig US-Superstar Serena Williams ihre Mission «24. Grand-Slam-Titelrekord» sofort an.
Wawrinka und Bencic warten ab
Um andere müssen die Organisatoren noch bangen. Während Simona Halep (WTA 2) an ihrem Plan festzuhalten scheint, erst in Europa auf Sand (Madrid, Rom und Paris) wieder auf die Tour zurückzukehren, und Roger Federer wegen seiner zweiten Knie-OP nicht zur Diskussion steht, brauchen die Superstars wie Novak Djokovic oder Rafael Nadal noch Bedenkzeit.
Der serbische Weltranglisten-Erste hatte sich in letzter Zeit als Anführer der Anti-US-Open-Bewegung geoutet. Nachdem nun aber mehr als eine Begleitperson am Turnier erlaubt ist und den Spielern neben dem Flughafenhotel TWA auch Privathäuser als Unterkunft zur Verfügung stehen, scheint auch «Djoker» wieder Gefallen am Gedanken an einen 18. Major-Titel zu haben. In Kroatien, wo er dieses Wochenende seine Adria-Tour fortsetzt, sprach er sich nun überraschend für eine Teilnahme aus. Und auch Nadal, der dem Plan «unter unfairen Bedingungen durch die Einreiserestriktionen vieler Länder» skeptisch gegenüberstand, liess sich letztlich eine Hintertür offen.
Das tun wohl auch die Schweizer Aushängeschilder Stan Wawrinka und Belinda Bencic. Der Romand will erst Mitte Juli darüber informieren, ob er sich den Wechsel von den Hartplatz-Spielen der US Open zum zwei Wochen später stattfindenden Sand-Festival bei den French Open in Paris (ab 27. September) antun wird. Und auch Bencic, die in den nächsten Tagen für den von Swiss Tennis ins Leben gerufenen nationalen Teamwettbewerb aus der Slowakei in die Schweiz reist, hat ihren Kalender noch nicht genau definiert.