Die Deutschen, so haben wir es am Samstag aus Melbourne erfahren, lechzen nach einer neuen Steffi Graf. Die Schweiz könnte sie in einigen Jahren haben.
Ab 01.13 Uhr stellt sich Fassnacht hinter das Pult und belehrt uns auf eine sympathische Art, was beim Premieren-Duell Maria Scharapowa gegen Belinda Bencic abgehen wird.
Vor dem TV-Kasten ist höchste Konzentration angesagt. Fassnacht schwärmt, kritisiert, lobt oft in einem Atemzug. Wir kommen mit dem Schreiben fast nicht mit.
Lehrer Fassnacht beginnt: «Maria ist vom ersten Punkt an voll da. Klammer auf, Ass, Klammer zu. Ein unheimlicher Druck lastet auf der Schweizerin. Sie kann sich nicht darauf verlassen, dass Maria viele Fehler macht.» Hier sollte sich Fassnacht irren…
Die zweite Lektion: «Scharapowa bleibt bei ihrem Risikotennis. Unglaublich, wie schwach der erste Aufschlag von Belinda ist.» Nach 106 Minuten die Erlösung. Fassnacht: «Zum ersten Mal, dass Bencic bei eigenem Aufschlag nicht 0:15 hinten liegt. Sie wird jetzt besser.»
Vorher flippt Fassnacht vor der TV-Schulklasse fast aus: «In jedem Aufschlagsspiel ein Breakball für Scharapowa. Ich würde wahnsinnig werden.» Dann ein missglückter Stoppball: «Den streute Bencic ohne Not ein. Als Trainer würde man verrückt werden. So ein Mist diese Aktion. Aber das weiss Belinda selbst!»
Man hört Fassnacht für einmal gespannt zu und geniesst mit den Zuschauern das stets spannende und begeisternde Spiel. Auch die Nummer 5 bekommt ihr Fett weg: «Jetzt häufen sich die leichten Fehler, Maria könnte längst mit dem Sieg unter der Dusche stehen.»
Der Lehrer am Mikrofon korrigiert sich selbst: «Soll ich Scharapowa irgendetwas sagen? Das wäre ja lächerlich!» Natürlich bleibt die Russin ein Thema: «Sie muss aggressiv bleiben. Da geht viel schief, aber es gelingt ihr auch viel.»
Fassnacht ist wie wir hin- und hergerissen: «Sie hat noch Chancen zu gewinnen. Bencic hat noch einiges vor. Und sie ist sicher dankbar, dass Martina Hingis nur wenige Minuten nach dem Mixed-Sieg schon in der Players Lounge die junge Schweizerin unterstützt.»
Da erfährt man auch schnell, dass Hingis vor zehn Jahren auch dreimal gegen Scharopwa gespielt hat und zwei Duelle für sich entschied. Es sind zwei angenehme Stunden bei einem aufreibenden Abnützungskampf.
Er endet um 03.22 Uhr beim 7:5, 7:5 für die Favoritin, so Fassnacht, «mit einem Fehlentscheid. Der letzte Ball, den Maria nach einem klaren Out-Ruf kontrollieren liess, hätte nochmals gepielt werden müssen. Aber die schwache Schiedsrichterin schenkte Scharapowa so den Sieg. Dass sie das ganze Spiel hindurch Marias permamente Zeitüberschreitungen beim Aufschlag durchliess, ist seit Turnierbeginn ein düsteres Kapitel. Da hätte sich Bencic einfach mal beklagen müssen! Aber sie muss auch froh sein, dass sie keine Verwarnung kassierte, weil sie sechsmal das Racket wegwarf.» Das tolle Fazit von Oliver Fassnacht: «Hätte es einen dritten Satz gegeben, ich hätte dann eher auf die Schweizerin getippt!»
Die Lektionen von Fassnacht sind vorbei. Wir danken dem Lehrer am Mikrofon, den wir nicht jede Nacht so überzeugend finden, mit Applaus. Sein Schlusswort zur Pausenglocke: «Es wird in Zukunft weitere Matches zwischen diesen beiden Spielerinnen geben – und dabei auch Siege von Bencic!»
Kaum haben sich Maria und Belinda etwas frostig die Hand gegeben, jubelt in der Arena daneben der Japaner Kei Nishikori nach dem 6:4, 6:2, 6:4 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga. Die Nummer 7 schlägt die Nummer 9.
Um 05.05 Uhr muss der grosse Favorit bei den Herren gegen den als Nummer 14 gesetzten Franzosen Gilles Simon ran: Novak Djokovic. Der Serbe hat oft härter zu fighten als ihm lieb ist, wirkt irgendwie lustlos und lässt Simon immer wieder ins Spiel kommen. Bei Eurosport hört man aber sofort: «Alles andere als ein klarer Sieg vom Joker wäre ein Sensation.»
Es war die leichteste Prognose der siebten TV-Nacht, die nach vier Sätzen aber in Gefahr geriet, weil es beim Stande von 6:3, 6:7, 6:4, 4:6 nach fast vier Stunden in einen fünften Satz ging. Dann schlug die Weltnummer eins aber brutal zu, holte sich den Entscheidungssatz nach vier Stunden und 33 Minuten mit 6:3. In der Players Lounge jubelte sein Coach Boris Becker wie nach einem Wimbledon-Sieg. Eurosport-Reporter Alex Antonitsch: «Das war knapp. Da hat Djokovic wohl den schwärzesten Tag der letzten Jahre eingezogen!»