Timea, Sie sagten kürzlich, Sie hätten keine Angst mehr auf dem Platz. Hatten Sie die früher?
Timea Bacsinszky: Ja, da setzte ich mich viel mehr unter Druck, weil ich anderen Leuten gefallen musste. Heute nehme ich die Dinge in meine Hand, fühle mich gut, wenn ich in den Spiegel schaue. Wenn es in einem Match mal nicht reicht, ist das in Ordnung. Ich weiss, ich habe auf dem Platz bis zum letzten Punkt alles gegeben. Und aus den Niederlagen kann ich lernen.
Sie wirken auch sonst sehr lernfähig, geben Interviews in allen Sprachen ...
Es gefällt mir halt, mich überall auf der Welt unterhalten zu können. Sprachen fallen mir leicht, auch wenn ich grammatikalisch nicht immer perfekt bin. Wir Spielerinnen reisen zwar jede Woche, kennen aber nur Hotels, Tennisanlagen und Flughäfen. Ich lerne aber auch gerne die Kulturen kennen, letztens war ich in Griechenland, da hat es mir extrem gefallen. Mit Kommunikation kann man die Städte, ihre Menschen, wie sie essen und leben, besser erforschen.
Wie viele Sprachen sprechen Sie?
Fünfeinhalb. Bis vier sprach ich nur Ungarisch, weil meine Eltern und unsere Nanny so mit mir redeten. Aber dann verstand man mich im Kindergarten nicht. Das war Horror! Ich weinte nur, wollte nie wieder dahin gehen. Von da an sprach meine Mutter nur noch Französisch mit mir und ich lernte schnell. Dann auch Deutsch, weil mein Onkel in Nürnberg lebt und ich mit seiner deutschen Frau reden wollte. Auf den U10- und U12-Turnieren entwickelte ich dann auch das Ohr fürs Schweizerdeutsch. Und da mein Vater ja schon früh wusste, dass ich Tennisspielerin werde – obwohl ich keine Lust hatte – schickte er mich fürs Englisch zu einer Nachbarin. Später lernte ich das automatisch auf den Reisen, deshalb kann ich auch etwas Spanisch. Und Italienisch spreche ich, weil ich früher mit Doppelpartnerin Tatjana Garbin um die Welt reiste.
Waren Sie immer schon so wissbegierig?
Ich schliesse nie vor etwas Neuem die Tür, bin neugierig und kreativ – das hat mir meine Mutter mitgegeben. Als Zahnärztin musste sie viel arbeiten, aber an Wochenenden unternahm sie immer was mit mir. Wir fuhren Ski, gingen shoppen. Wenn sie kochte, musste ich alles wenigstens probieren, auch Froschschenkel.
Ihr Vater zwang Sie zum Tennis. Haben Sie es – wie Andre Agassi – deshalb gehasst?
O ja, extrem sogar. Es gab eine Zeit, da kam die ganze Hölle meiner Kindheit hoch, sobald ich einen Tennisplatz betreten habe. Ich hatte permanent Flashbacks, konnte Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr trennen. Während meiner ganzen Jugendzeit musste ich mich pushen und durchhalten. Dabei konnte ich mich vor Unlust kaum bewegen. Aber ich hatte kein Recht etwas anderes zu machen. Ich musste immer wie Martina Hingis sein – wenn nicht noch besser.
Wie war es, als Sie kürzlich mit ihr Fed Cup spielten?
Für mich persönlich war das sehr speziell, denn Martina war der Ursprung meines Verderbens. Mein Vater wollte immer, dass ich alles genauso mache wie sie. Das brachte mich mit der Zeit dazu, sie nicht ausstehen zu können. Sie war schuld am ganzen Horror, an meinem Mobbing. Es ist paradox – einerseits hasste ich sie von klein auf, andererseits hatte ich null Grund dazu, ich kannte sie ja nicht einmal persönlich. Beim Fed Cup in Polen schlug ich nun zum ersten Mal Bälle mit ihr.
Und wie war das?
Mit ihrer Erfahrung war Martina eine grosse Bereicherung im Team. Sie war freundlich, lustig und wir verstanden uns gut. Sie erzählte viele Anekdoten – es war wirklich nett. Sie ist eine ganz tolle Frau. Früher hätte ich das nie einordnen können. Heute weiss ich, dass sie mir nie was getan hat. Alles fällt mir heute viel leichter, weil mein Leben jetzt mir gehört.
Wie befreite sich Timea Bacsinszky aus ihrer Negativspirale? Lesen Sie das komplette Interview im SonntagsBlick.