René Stammbach und Reto Bieler sind enttäuscht. Am letzten Donnerstag präsentierte der Bundesrat den Lockerungsplan für die Corona-Restriktionen – der Sport wurde mit keinem Wort erwähnt. Swiss-Tennis-Präsident Stammbach geht es nicht um Schuldzuweisungen, die Politiker hätten in letzter Zeit einiges richtig gemacht. «Aber die derzeitige Prioritätensetzung im Lockerungsprozess ist nicht adäquat», kritisiert er.
«Zwei Millionen Sportler in der Schweiz, also etwa ein Viertel unserer Bevölkerung, werden hintangestellt.» Im Sport würden 22,4 Milliarden Franken umgesetzt und knapp 100 000 Menschen beschäftigt. «Das macht 2,4 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Mit dieser Unverhältnismässigkeit habe ich Mühe.»
Weniger Kontakt beim Tennis als beim Fussball
«Wir sind völlig vergessen worden», wirft Bieler, Präsident des Schweizer Golfverbands, dem Bund vor. «Wir haben für alle Vorsichtsmassnahmen Verständnis, aber es muss jetzt differenzierter gehandelt werden.» Beide fordern eine Differenzierung unter den Sportarten. «So wie man auch in der Wirtschaft zwischen Blumenläden, Bauhäusern und Einkaufszentren unterscheidet», fügt Stammbach an.
Im Gegensatz zu Fussball, Eishockey oder Handball können bei Einzelsportarten wie Tennis, Golf, Segeln, Leichtathletik, im Schiess- oder Reitsport die geforderten Schutzmassnahmen berücksichtigt werden. «Unser Schutzkonzept steht seit zwei Wochen», sagen beide Verbandsobersten.
Im Golf beinhaltet es geregelte Zeiten vom Vorfahren auf den Parkplatz über die Spielzeiten bis hin zum Verlassen der Anlage. Eine Trennung der Risiko- und Altersgruppen, Hygienevorschriften. «Das alles einzuhalten, ist überhaupt kein Problem», so Bieler. «Es wären nie mehr als vier Personen in einer Gruppe, die Gruppen kämen nicht miteinander in Kontakt.»
Mit Plastikhandschuhen spielen?
Auch im Tennis würden Klubhäuser und Garderoben gesperrt. Fürs Abziehen und Desinfizieren der Besen sind die Klubs verantwortlich. Diesen werden Tracking-Apps und Reservationssysteme, welche den Betrieb kontrollieren, bis Ende Juni zusammen mit einem Partner gratis vom Verband zur Verfügung gestellt.
Auf den Courts könnte das Spiel aufs Einzel, im Unterricht auf zwei Schüler beschränkt werden, die gegenüber dem Trainer mindestens zwei Meter auseinanderstehen. Falls die Bälle ein Ansteckungsrisiko bergen, müsste mit einem eigenen, markierten Ball gespielt werden. Stammbach: «Oder mit dünnen Plastikhandschuhen – das habe ich persönlich an meiner Garagenwand ausprobiert, es geht gut.»
Tennislehrer verdienen derzeit nichts
Bislang seien diese Schutzkonzepte aber nicht berücksichtigt worden. Und der Zeitplan ist nicht ermutigend. Das Bundesamt für Sport (Baspo) stellt sie erst am 13. Mai vor – also zwei Tage nach der geplanten zweiten Lockerungswelle am 11. Mai. Der Swiss-Golf-Präsident dazu: «Damit wären wir schon wieder zu spät und würden erst zur dritten Welle am 8. Juni berücksichtigt. Das wäre sehr schade.» Die Golfsaison auf den bespielbaren, gepflegten Plätzen wäre bereits halb verstrichen. Im Tennis warten über 1500 Lehrpersonen, dazu etwa 90 Profispieler, die von ihrem Sport leben und derzeit kein Geld verdienen, untätig auf Besserung.
Bieler weist auch besonders auf den Gesundheitsaspekt des Sports hin: «Wir alle, Kinder und Jugendliche bis hin zu den Senioren, sind in dieser Corona-Krise einem gewissen Stress ausgesetzt. Selbstverantwortung und Solidarität vorausgesetzt, ist der Sport ein wichtiges Ventil dafür. Es geht ums Abschalten, Körper und Seele Gutes zu tun, soziale Kontakte zu pflegen.»
«Es muss jetzt vorwärtsgehen»
Deshalb setzen Stammbach und Bieler nun gemeinsam alles daran, die Entwicklung zusammen mit den Verbänden anderer Sportarten voranzutreiben. Die Gespräche laufen intensiv und die Hoffnung, schneller erhört zu werden, lebt. «Ich denke, die Verantwortlichen haben verstanden, dass es jetzt vorwärtsgehen muss», sagt der höchste Tennisfunktionär der Schweiz, der auch im Vorstand des internationalen Verbandes ITF sitzt.
Er will trotzdem hartnäckig bleiben. «Der Sport muss den Druck weiterhin aufrechterhalten.»