Alles ist fürs Grande Finale angerichtet: Sieben Tage Tennis-Pause sollen den in Basel und Paris-Bercy ausgelaugt wirkenden Stan Wawrinka wieder auf Vordermann gebracht haben. Die Motivation, zum vierten Mal bei seinem erklärten Jahresziel unter den acht Jahresbesten in London mindestens die Halbfinals zu erreichen, ist für die Weltnummer 3 riesig.
Der Romand liebt die grossen Bühnen, also auch dieses Turnier an der Themse, wo sich die Spieler wie Filmstars vorkommen. Und die Startpartie gegen Kei Nishikori, den Wawrinka schon vier von sechs Malen geschlagen hat, ist eigentlich ideal für einen erfolgreichen Einstieg.
Und dann das! Stan produziert gegen den soliden, aber nicht bestechenden Japaner 31 Fehler in 67 Minuten. Erspielt nicht einen Breakpunkt. Punktet nur zweimal mit seiner schärfsten Waffe, der Rückhand. 2:6, 3:6 – ein miserables Resultat im ersten von drei Gruppenspielen.
Ratlose Gesichter in der Box
Dabei zählt doch vor allem in diesem Modus, wo die komplizierten Rechenspiele am Ende der Vorrunde den Unterschied ausmachen können, jedes gewonnene Game! Der 31-Jährige steht schon vor seinen noch schwierigeren Gruppen-Matches gegen Weltnummer 1 und «Local Hero» Andy Murray und die kroatische Nummer 7, Marin Cilic, die sich gestern Abend duellierten (Murray gewann 6:2, 6:3), mit dem Rücken zur Wand.
Enttäuschte Gesichter, wo man in der O2-Arena hinsieht: bei Stan, bei den Fans und bei seinem Team, dem der frisch gekürte «beste Coach des Jahres», Magnus Norman, sowie der beste Fitness-Guru des Jahrzehnts, Pierre Paganini, angehören. Ein bekanntes Gesicht in Stans Box fehlt hingegen: das von Donna Vekic.
Die 21-jährige Kroatin bestreitet ausgerechnet in dieser Woche ein WTA-Turnier im französischen Limoges. Fehlt sie ihrem Freund so sehr, dass der bekennende Langsamstarter bei Turnieren am Final der Finals kein Bein vors andere bekommt?
Stan wird sich hüten, diese Frage zu beantworten. In Erklärungsnotstand ist er dennoch. «Ich war zu langsam auf den Beinen, agierte zu zögerlich», sagt er.
Ist der US-Open-Sieger am Ende einer emotionalen Saison schlicht körperlich und mental zu müde? Oder ist er gar verletzt? Sein getaptes Knie lässt er als Ausrede nicht gelten. «Ich fühlte mich eigentlich gut und dachte, ich könnte besser spielen», gibt er seine Ratlosigkeit zu. «Das war wirklich kein gutes Spiel von mir, ich kann das viel besser. Aber heute war kein grosser Tag für mich. Es wollte einfach nicht hinhauen.»
Noch ist Stan nicht ausgeschieden
Es sei nicht das erste Mal, dass er hier so schlecht starte. Ähnliches widerfuhr ihm letztes Jahr, als er denkbar schwach gegen den Spanier Rafael Nadal startete. Damals fand er mit einem Sieg über den Briten Murray wieder zurück in die Spur.
Stan verspricht: «Ich werde alles dafür tun, für das nächste Spiel wieder bereit zu sein. Das Gute an diesem Turnier ist ja, dass ich immer noch die Möglichkeit habe, es besser zu machen. Noch bin ich nicht ausgeschieden.»