Er tippt mit seinem linken Zeigefinger an die Stirn. Wie vor anderthalb Jahren. Wie in Melbourne, wo er seinen ersten Grand-Slam-Titel holte. Zeigt mit dem ausgestreckten rechten Arm in Richtung Box. Dort, wo seine Eltern Wolfram und Isabelle sowie Schwester Djanaée sitzen und stolz klatschen.
Nach dem 6:3, 6:7 (1:7), 7:6 (7:3), 6:4 in drei Stunden und 46 Minuten gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga (30) spielt Stan Wawrinka am Sonntag (15.00 Uhr SRF 2 live) gegen Djokovic oder Murray als erster Schweizer seit Roger Federer 2009 um den Titel bei den French Open.
«Mein Traum war es immer, Roland Garros einmal zu spielen. Hier in den Final einzuziehen oder gar zu gewinnen, davon hätte ich nie zu träumen gewagt», sagt Wawrinka. «Ich werde versuchen, das zu geniessen, denn Tennis ist ein extrem emotionaler Sport – mit guten und schlechten Emotionen.»
Wenn es gut laufe, tendiere man dazu zu vergessen, dass es dir manchmal schlecht geht. Wawrinka weiss, wovon er spricht, hat schwierige Zeiten hinter sich. Erst vor zwei Monaten gab er die Trennung von Frau Ilham (40) bekannt. Auf die schlimmen Vorwürfe, die sie daraufhin erhebt, reagiert er nicht, «weil ich die Privatsphäre meiner Tochter Alexia schützen will».
Seit Kindsbeinen ist die Familie sein sicherer Hafen. Aufgewachsen ist Wawrinka im 800-Seelen-Dorf Saint Barthélemy oberhalb von Lausanne. Dort betreiben seine Eltern noch heute einen Bio-Bauernhof. Wie sein älterer Bruder Jonathan und die beiden jüngeren Schwestern Djanaée und Naëlla hilft er auf dem Hof.
Stans Familie – ein sicherer Hafen in Sturm-Zeiten
Die Tennis-Ausbildung finanzieren die Eltern. Bis sich Wawrinka 2003 mit dem Junioren-Titel bei den French Open einen Traum erfüllt. Die Feier ist bescheiden. «Ich bin mit den Eltern, Bruder Jonathan, Trainer Dimitri Zavialoff und dessen Bruder essen gegangen», sagte er damals. Eine Feier im engsten Kreis.
Zwölf Jahre später ist Wawrinka ein Grand-Slam-Champion. Einer der beliebtesten Schweizer und einer der besten Tennisspieler der Welt. Und er spielt morgen in Paris erstmals um die Trophäe bei den Grossen, die «Coupe des Mousquetaires».
Auch dank der Unterstützung seiner Familie, seinem sicheren Hafen in stürmischen Zeiten.