Schweiz ohne «Fedrinka»
Der grosse Davis-Cup-Kater

Ohne Roger Federer und Stan Wawrinka versucht die Schweiz in Belgien eine Überraschung zu schaffen. Eine Begegnung unter schwierigen Voraussetzungen.
Publiziert: 25.02.2015 um 16:40 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:47 Uhr
1/14
Beim Schweizer Team bleibt kein Stein auf dem anderen. Federer, Wawrinka und Chiudinelli sind nicht dabei.
Foto: Benjamin Soland
Von Simon Häring

Davis-Cup-Captain Severin Lüthi (39) ist nicht zu beneiden. Stan Wawrinka und Roger Federer stehen für die Achtelfinal-Begegnung gegen Belgien (6. bis 8. März in Lüttich) nicht zur Verfügung. Federer hat in Dubai sogar vorzeitig für den Rest der Saison seinen Verzicht auf den Nationen-Wettbewerb verkündet.

Keine 24 Stunden später gibt Lüthi sein Aufgebot für die Begegnung bekannt. Schon jetzt ist klar: Die Titelverteidigung rückt in weite Ferne. Neben Michael Lammer und Henri Laaksonen sind mit Yann Marti und Adrien Bossel zwei Debütanten dabei. Dazu sollen Johan Nikles (17) und Marko Osmakcic (16) im Training Davis-Cup-Luft schnuppern.

BLICK nennt die Baustellen der Schweizer Tennis-Nati.

Henri Laaksonen (22, ATP 344): Der Finne mit Schweizer Pass gilt seit Jahren als grösste Hoffnung im Stall von Swiss Tennis. «Er hat alles, was ein Topspieler braucht: Er ist schnell, beweglich und er hat auch die nötigen Schläge dazu», sagt Heinz Günthardt, der als Berater für Swiss Tennis arbeitet. Nur: Laaksonen wird 23. In der Weltrangliste belegt er Rang 344. Zudem sorgte er im Herbst 2013 für einen Eklat. Wegen mangelnder Einstellung wurde Laaksonen nach Hause geschickt. «Leider gibts unter jenen Spielern, die nachkommen, gewisse, die glauben, alles sei erlaubt und es wird ihnen alles geschenkt. Der Captain kann das, was passiert ist, nicht akzeptieren. Jemand in seinem Alter, mit seinem Klassement, der seit Jahren von Swiss Tennis unterstützt wird und sich erlaubt, im Training nicht Gas zu geben und gegen den Trainer zu motzen, ist untragbar», sprach Wawrinka nach dem Eklat Klartext. Laaksonen wurde längst begnadigt. Den Nachweis, ein Spieler mit dem Potenzial für die Top 50 zu sein, ist er aber bisher schuldig geblieben. Zudem ging zuletzt gar das Gerücht um, Laaksonen wolle wieder für Finnland spielen.

Yann Marti (26, ATP 294): Die Sternstunde seiner Karriere ist ein virtueller Irrtum. Im November 2013 ist Marti für eine Minute Erster der Weltrangliste. Ein Fehler im Teletext. Zwar gilt Marti als äusserst talentiert, doch mit seinen 1,73 Metern fehlen ihm die nötigen Zentimeter für die Weltspitze. Zudem sorgte er bereits für Ärger, als er im letzten Jahr nicht aufgeboten wurde. «Ich verstehe dieses Aufgebot nicht. Lammer etwa ist weiter hinten klassiert als ich. Und Laaksonen flog vor einem Jahr aus dem Team. Ich verstehe die Wahl von Severin Lüthi nicht», lästerte er damals beim Walliser Radiosender Rhône FM. Gegen Belgien ist er nun erstmals dabei.

Michael Lammer (32, ATP 541): Seine Einzelkarriere lässt Lammer ausklingen. Höher als auf Platz 150 der Weltrangliste kletterte er nie. Jetzt belegt er noch Rang 541. Mit diesem Ranking muss der 32-Jährige sogar bei Future-Turnieren die Qualifikation bestreiten. Im Davis-Cup-Team ist er trotzdem seit Jahren eine wichtige Stütze. Seit 2006 ist er dabei, hat dabei acht Einzel bestritten, aber nur eines gewinnen können. Dafür hat Lammer im Doppel immer wieder Punkte geliefert. Seine Bilanz: 3 zu 0.

Adrien Bossel (28, ATP 324): Der Freiburger kämpft um den Anschluss an die Weltspitze. Dafür berührt seine Geschichte. Bossel leidet an einer hypertrophen Kardiomyopathie, einer krankhaften Vergrösserung der Muskulatur der linken Herzkammer, was bei Stress und Belastung zu Atemnot und Herzrhythmusstörungen führen kann. Spitzensport? Ausgeschlossen. Eigentlich. Bossel spielt mit einem Defibrillator. Im Davis Cup ist er erstmals überhaupt dabei.

Nicht dabei ist hingegen Marco Chiudinelli (33, ATP 226). Der Davis-Cup-Sieger ist nach einer Operation am rechten Ellenbogen nicht rechtzeitig wieder fit. Dafür dürfen mit dem 17-jährigen Genfer Johan Nikles (Platz 31 in der Juniorenweltrangliste) und dem 16-jährigen Marko Osmakcic (Rang 41) zwei Talente im Training Davis-Cup-Luft schnuppern.

Während beim Schweizer Team kein Stein auf dem anderen bleibt, tritt Belgien in Bestbesetzung an. Angeführt wird das Team von Basel-Finalist David Goffin (ATP 21). Daneben nominierte Captain Johan van Herck Steve Darcis (ATP 105), Ruben Bemelmans (ATP 139) und Niels Desein (ATP 156).

Der Verlierer muss im September um den Verbleib in der Weltgruppe spielen. Trotzdem übt sich Teamcaptain Severin Lüthi in Optimismus. «Diese Spieler haben gezeigt, dass sie auch mit besser klassierten Konkurrenten mithalten können. Wir werden uns wie immer intensiv vorbereiten und versuchen, die Chancen zu nutzen, die sich uns bieten.»

Für Lüthi geht es in Belgien primär darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Der Trainer von Roger Federer bekennt sich langfristig zum Davis Cup und leitet nun einen Umbruch ein. Unter dem Arbeitstitel «Agenda 2020» erarbeitet er bis Mitte März ein Konzept für die Ära nach Federer und Wawrinka.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?