Stan Wawrinka ist verletzt. Körperlich und seelisch. Schuld daran ist sein Zweitrunden-Match gegen Nick Kyrgios (ATP 41) in Montreal, das die Weltnummer 5 im dritten Satz wegen Rückenschmerzen aufgibt. Vielleicht verlor Stan aber auch schlicht die Fassung und hielt es auf dem Platz nicht mehr aus. Denn der australische Tennis-Rüpel zog mit seinem Schandmaul einmal mehr die unterste Schublade.
«Kokkinakis hat deine Freundin geknallt. Tut mir leid, dir das sagen zu müssen», steckt er Wawrinka zu Beginn des zweiten Satzes. Trash-Talk der übelsten Sorte, der Wawrinka hart trifft. Denn mit dieser Beleidigung, für die Kyrgios seinen Aussie-Kollegen Thanasi Kokkinakis (19) benutzt, spielt er auf Stans nach wie vor unbestätigte Beziehung zur kroatischen Spielerin Donna Vecic (19) an – ein Gerücht, auf das der Schweizer äusserst empfindlich reagiert.
Logisch, ist er stocksauer. «Enttäuschend, einen jungen Kollegen zu sehen, der sich auf so unvorstellbare Weise respektlos verhält», poltert Stan auf Twitter. «So was würde ich nicht mal dem ärgsten Feind sagen.» Sein Coach Magnus Norman schliesst sich an: «Das war ganz, ganz schwach. Ich hoffe, du hast Leute um dich, die dir ein paar Dinge übers Leben beibringen.»
Der Shitstorm im Internet zeigt, dass die Welt ihre Meinung teilt. Scharf urteilt auch Marc Rosset, dem zuweilen selbst das Temperament durchging: «Er hat Stans Privatsphäre angegriffen. Das ist untragbar», sagt der Genfer zur «Tribune de Genève» und empfiehlt Stan, einen Anwalt zu nehmen. «Kyrgios verkörpert alles, was ich da draussen hasse. Jeden Tag sieht man Typen, die Stars wurden, bloss weil sie zwei Monate ihren Arsch am TV gezeigt haben. Sie haben keine Werte mehr. Es fehlt gewaltig an Erziehung.»
Auch Nicks Mutter, Nill Kyrgios, mischt sich ein, greift Stan auf Twitter an: «Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mach erst deine Aufgaben, bevor du meckerst wie ein Schaf!» Sie glaubt, ihr Sohn habe nur eine Retourkutsche verpasst. «Stan hatte ein freches Mundwerk», gab sich Kyrgios zunächst uneinsichtig, am Abend entschuldigte er sich via Facebook für den «unakzeptablen Kommentar in der Hitze des Gefechts».
Die ATP kündigte eine Geld-Strafe für Kyrgios an. Stan würde weiter gehen: «Ich hoffe, dass sie endlich ernsthafte Massnahmen ergreifen. Er benimmt sich ständig schlecht – gegen uns Spieler, die Balljungen und die Schiedsrichter.»