Sport – Note 4,5
Vorweg sei gesagt: Für einen Profisportler seines Alters ist Federer eine Ausnahmeerscheinung. Die Saison ist nur schon gut, weil er unverletzt hindurchgekommen ist. Doch damit nicht genug: Federer holte mit dem Triumph an der Australian Open seinen 20. Grand-Slam-Titel und wurde kurz darauf mit der Rückkehr an die Weltspitze zur ältesten Nummer 1 der Tennisgeschichte.
Misst man seine Erfolge im Jahr 2018 allerdings am gewohnten Anspruch der aktuellen Weltnummer 3, ist die Saison insgesamt eher durchschnittlich. Die Titel in Indian Wells, Miami, Halle, Wimbledon und Shanghai konnte Roger nicht verteidigen, wobei vor allem die Vertreibung aus seinem Rasenreich wehtut. Es mangelte an Konstanz – vor allem fehlen gute Resultate gegen Top-5-Gegner. Er gewann kein Masters 1000, auch nicht die ATP-Finals, mit insgesamt 4 Turniersiegen holte sich der «Teilzeitspieler», der die Sandsaison ganz ausliess, so wenig Titel wie zuletzt 2013 (1) und 2011 (4).
Deshalb: Note 4,5.
Wirtschaft – Note 5,5
In der Rubrik Preisgeld liegt Federer 2018 mit rund 7,5 Millionen Franken knapp hinter Rafael Nadal (8,6 Mio.), allerdings umso deutlicher hinter dem grossen Absahner Novak Djokovic (13,4 Mio.). Seinen ausgeprägten Geschäftssinn beweist er mit der Gründung des Laver Cup, der nächsten September in Genf auch die Schweiz bereichern soll.
Was das gesamte Jahreseinkommen angeht, hat Federer die Nase weit vor allen anderen Tennisspielern. Von seinem geschätzten 380-Millionen-Vermögen stammen allein 70 Mio. aus dieser Saison. Damit liegt er auf Rang 7 der berühmten Forbes-Liste der bestbezahlten Sportler der Welt – vor Nadal (Rang 20), Kei Nishikori (35) und Djokovic (86).
Den grossen Zahltag hat Roger hauptsächlich seinen guten Sponsoren-Deals zu verdanken. Und hier hat er diesen Sommer für die Zeit nach der Profikarriere vorgesorgt. Nach 24 Jahren als Aushängeschild des Sport-Ausrüsters Nike bezieht er seine Kleider neu vom japanischen Hersteller «Uniqlo». Und zwar für mindestens 10 Jahre und insgesamt angeblich 300 Millionen Franken.
Lukrativer geht’s kaum, ein paar Abstriche gibt’s wegen des Imagewechsels: Note 5,5.
Mode – Note 4
Den vom Männermagazin «GQ» vergebenen Titel «Most stylish man» aus dem Jahr 2016 war er schon letztes Jahr los. Aber immerhin lag Federer da noch auf Rang 2 im Mode-Ranking der Zeitschrift «Vanity Fair». 2018 bleibt eine solche Auszeichnung aus.
Bei «GQ» ist er noch die Nummer 42 der bestgekleideten Männer, wird aber nach wie vor galant beschrieben: «Der Rockstar der Tenniswelt hat ein ebenso beeindruckendes Spiel in der Garderobe wie auf dem Court.» Auf dem Platz defiliert er neu in Klamotten der japanischen Billigmarke «Uniqlo».
Unser Urteil: Dressman Roger kann zwar alles tragen aber das neue Design – kombiniert mit Schuhen anderer Marken – kommt nicht ganz an die frühere Perfektion heran.
Fazit: Note 4.
Betragen – Note 5,5
Federer ist «Mr. Nice Guy», der grosse Gentleman unter den ehrgeizigen, hochbezahlten, manchmal Kritik-unempfänglichen Tennisstars. Im Umgang mit den internationalen Medien ist er hochprofessionell, als Arbeitgeber seiner Entourage sehr geschätzt und treu. Seine Freundlichkeit und Bodenständigkeit macht ihn allseits beliebt.
Hier und da gibt es Neider, die ihm eine Vorzugsbehandlung im Zirkus oder zu viel Eigenmächtigkeit mit dem Laver Cup vorwerfen. Aber selbst dem härtesten Rivalen fällt es schwer, Roger auf dem Platz zu hassen. Dort sind Ausraster des Schweizers absolute Mangelware.
Selbst nach dem unglücklichen Zwischenfall bei der Halbfinal-Niederlage in London mit Zverev und dem Balljungen reagierte er verständnisvoll und souverän. Nur bei der Nishikori-Pleite machte er jüngst eine kleine Ausnahme: Genervt pfefferte er einen Ball ins Publikum, fing sich eine Verwarnung ein, diskutierte mit dem Schiedsrichter und erntete Kritik von den britischen Medien. Deshalb ein halber Punktabzug: Note 5,5.
Sozialkompetenzen – Note 5
Sein Teilzeitpensum im Tenniskalender gestattet mehr Engagement für seine Stiftung. Die «Roger Federer Foundation» unterstützt Bildungsprojekte im südlichen Afrika und in der Schweiz. Sein Ziel, bis Ende Jahr 1 Million Kinder davon profitieren zu lassen, hat Federer so gut wie erreicht.
Von total 45 Millionen Franken seit Bestehen der Stiftung wurden 8,5 Millionen in dieser Saison generiert. 2,5 Mio. allein durch die 5. Auflage des «Match for Africa», das Roger mit US-Spieler Jack Sock und Bill Gates im Silicon Valley feierte.
Federer begeisterte zudem durch Volksnähe bei einem Besuch im afrikanischen Sambia, bei einer von Armut betroffenen Schweizer Familie und im Zirkus Knie, wo er mehreren hundert Kindern Träume erfüllte.
Weil man nie genug gute Taten vollbringen kann, gibt’s dafür eine gute Note 5.
Freizeit – Note 6
Natürlich steht es niemandem an, Familienangelegenheiten zu beurteilen. Keiner weiss, wie es hinter den Kulissen wirklich aussieht – das ist strikte Privatsache. Aber zumindest von aussen betrachtet, ist Roger Federer ein Familienvater wie aus dem Bilderbuch. Gemäss eigenen Aussagen stellt er die Wünsche seiner Familie vor seine eigene Karriere, spielt nur so lange es seine Frau Mirka und die vier Kinder so wollen und es den beiden Zwillingspaaren nach Einschätzung der Eltern nicht schadet.
Da er sein Tennispensum reduziert hat, verbringt Papa Federer deutlich mehr Zeit mit seinen Liebsten, die stets auf Reisen dabei sind. Trotz Reichtum und Ruhm, Privatunterricht und Nannies bemüht sich der Millionär, seine Kids so bodenständig und normal wie möglich aufwachsen zu lassen. Dafür wohnt er mehrheitlich in der «heilen Welt» der Lenzerheide, steckt seine Kids dort in die öffentliche Skischule oder steht im Sommer in der Badi höchstpersönlich am Kiosk für ein Glacé an. Da auch der Nachwuchs vermehrt Tennis spielt, ist sich Roger selbst als Trainer nicht zu schade.
Das alles verdient Note 6.