Als Marius Copil vor Roger Federer auf den Basler Centre Court läuft, betreten David und Goliath die Kampfarena. Nicht punkto Grösse – da übertrifft der 1,91-Meter-grosse Rumäne den Schweizer um sechs Zentimeter. Aber der Leistungsausweis der Schweizer Weltnummer 3 ist gegenüber dem des 90 Plätze schlechter klassierten Finalgegner erdrückend.
Mit nur einem Titel aus Sofia hat Copil beinahe null Erfahrung auf grosser Finalbühne. Federer steht in seinem Wohnzimmer zum 14. Mal im Endspiel. Achtmal gewann er hier – insgesamt bringt er es auf eine sagenhafte Sammlung von 98 Titeln.
Federer schwächelt beim Aufschlag
Doch schon früh im Match zeigt sich, dass David am Nerv des Goliath kitzeln kann. Gleich im ersten Aufschlagspiel gelingt Copil ein Ass mit dem schnellsten Aufschlag seiner Karriere. 243 km/h – ein Stundenkilometer mehr als sein Rekord gegen Stan Wawrinka bei den Australian Open.
Federer indes sieht sich schon im zweiten Service-Game mit seiner Schwäche der ganzen Woche konfrontiert: Mit einem Doppelfehler – es soll nicht der letzte sein – kassiert er das Break zum 1:2!
«Wenn das passiert, brennt der Baum», hatte Roger voraussehend gesagt. Doch es ihm gelingt ihm, die brenzlige Lage zu löschen. Gleicht gegen den gefährlichen Aufschläger zum 3:3 aus. Hält mit bis in das Tiebreak – das er 7:5 unter tosendem Applaus gewinnt.
Sein Jubel mit geballter Faust – in Richtung seiner Leute, unter denen sich endlich auch Ehefrau Mirka wieder befindet – zeigt, wie sehr Federer diesen Sieg, diesen Titel will.
Wieder in Rücklage mit Break
Umso unerklärlicher ist der Start des zweiten Durchgangs, in dem er sich wie schon im Ersten in eine brenzlige Lage bringt. Wieder kassiert er ein Break! Kann er sich das Game erneut zurückholen?
Zweimal schnuppert Roger am Re-Break. Doch der 28-jährige Rumäne, der seine Psyche erfolgreich mit einem Mentaltrainer gestärkt hat, kontert jedes Mal. Überhaupt macht Copil mit seiner starken einhändigen Rückhand, einem feinen Händchen und einmal sogar einer gelungenen Tweener-Einlage beste Werbung in eigener Sache.
Keiner der 9000 Fans in der ausverkauften St. Jakobshalle fragt sich noch, wie dieser Qualifikant Marin Cilic (ATP 6) oder Alexander Zverev (ATP 5) ausschalten konnte.
Längste Siegesserie in Basel
Aber Roger ist eben Roger – beim dritten Breakball klappts. Der Rekordsieger der Swiss Indoors ist wieder im Geschäft – und lässt sich in Folge dieses hochklassigen Finals nicht mehr von seiner Mission abbringen. Mit einer Challenge nach einem Fehlentscheid der Linienrichter breakt er gleich nochmal. Da ist der Wiederstand des Unerfahreneren endgültig gebrochen. Federer serviert die Swiss Indoors 2018 nach Hause.
Mit dem 7:6, 6:4 gegen Copil übertrifft er seine längste Siegesserie in Basel aus den Jahren 2006 bis 09 (19). Viel wichtiger aber als dieser 20. Sieg in Folge: King Roger bleibt der König von Basel!
Er egalisiert er in seiner geliebten Heimat, was er schon als Rasenkönig in Halle geschafft hat und holt Rekordtitel Nummer 9!
«Ich bin der glücklichste Mensch»
Bei der Siegerehrung sagt Federer: «Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich nach meiner Siegesserie hier den Titel nochmal verteidigen kann. Ich könnte den Zuschauern nicht mehr Dank aussprechen. Ich bin der glücklichste Mensch jetzt gerade!» Dann verschlägt es ihm etwas die Stimme...
Verlierer Copil erklärt: «Das ist meine erst zweite Rede - ich hoffe, dass wird nicht zu peinlich sein. Roger, es war eine grosse Ehre für mich, mit dir auf dem gleichen Platz stehen zu dürfen. Vielen vielen Dank, was du fürs Tennis gemacht hast – ich spreche im Namen von allen Spielern bis zur Nummer 200. Hoffentlich geht es mit meiner Karriere nun aufwärts – denn es ist so schön, auf solchen Plätzen zu spielen.»