Noch ist es relativ leise im voll besetzten O2-Stadion. Zu hören ist nur der klopfende Pulsschlag, der durch eine um den Court flimmernde Frequenzlinie begleitet wird. Die dramaturgische Ouvertüre der ATP-Final-Matches für den Spannungsaufbau vor dem Einmarsch der Stars.
Dann kommt er – und es wird laut, als würde ein Propellerflugzeug nebenan starten. Ein Gewitterdonner oder Rockkonzert ertönen, eine Kettensäge am Werk sein. Das sind Schallquellen für 120 Dezibel – genau diese erreicht auch Roger Federer, wenn er von 17 800 Fans frenetisch begrüsst wird.
116,7 Dezibel – Liebe bis zur Schmerzgrenze, die bei 120 dB erreicht ist. Der Applaus für Federer, der zu Beginn des Saisonfinals zum 11. Mal den ATP-Fairness-Pokal und zum 13. Mal in Folge den Publikumspreis erhielt, bewegt den Pegel bis in den roten Bereich.
Wenn er vom Stadion-Speaker vorgestellt wird, gegen Rivalen Novak Djokovic Vorhand-Winner peitscht, Breakbälle hat oder mit 7:5, 6:2 den Sieg einfährt.
Der serbische Branchenleader schafft es – wie tags zuvor der Einheimische Andy Murray (Maximalwert 106,6 dB) – nur selten bis zur Hunderter-Schwelle. Bis zum Lärm eines Ghettoblasters oder Presslufthammers. Der Messpegel steigt nur selten über 90 dB – zu den Geräuschen eines Töffs, Rasenmähers oder Dieselmotors, der Konter-Künstler Djokovic ja auch auf dem Platz ist. Er zeigt nichts Spektakuläres, aber erzwingt Risiko und Fehler beim Schweizer. Weniger die Bewunderung der Fans, die sich in Geräuschschutz-Grenzen hält.
Die Londoner wollen ihren siebenfachen Wimbledon- und sechsfachen ATP-Finals-Sieger siegen sehen, ihn zum 13. Halbfinal beim 14. Masters tragen.
Und sie bekommen, was sie wollen. Wieder knapp 120 dB beim Matchball – bei Dauerbeschallung würde der Hörschaden nahen.
Lärm, der darüber hinausgeht, ist ungesund. 130 Dezibel (ein abfliegender Düsenjet) lösen körperliche Stresssignale aus. In London nur Signale der Freude: Roger Superstar versetzt Djokovic einen Dämpfer. Federer steht bereits in den Halbfinals.