«Es ging alles sehr schnell», resümierte Stan Wawrinka unmittelbar nach dem 5:7, 3:6 gegen Roger Federer. Nicht unbedingt weil sein Freund 32 Mal den Weg ans Netz suchte (und dort 24 Mal punktete). «Darauf war ich vorbereitet, das versetzte mich nicht in Panik.»
Seit der grossen Sommerpause sei Federer viel aggressiver zurückgekommen – was dann seit in Cincinnati für jedermann ersichtlich war. «Aber mental war ich nicht zu Hundert Prozent da und ich war auch etwas nervös. Wenn du da nicht hart genug bist, kannst du nicht mithalten und es geht schnell vorbei.»
Stan ist enttäuscht. «Ich dachte, ich könne besser sein. Aber womöglich waren meine Batterien nicht ganz wieder aufgeladen.»
Mit ein wenig Abstand wird er stolz sein über sein bislang bestes Jahr mit vier Titeln – darunter der Pariser Grand-Slam-Sieg – sowie dem Viertelfinal in Wimbledon, den Halbfinals in Australien und an den US Open. «Ja, mein Jahr war unerwartet gut, ich war konstant und besiegte die Top-Spieler.» Unter den schwierigen privaten Umständen keine Selbstverständlichkeit – und deshalb dankt Stan als letztes auch seinem Team: «Sie haben mir in diesem komplizierten Jahr sehr geholfen. Ohne sie wäre es niemals so rausgekommen.»
Anders sieht die Gemütslage natürlich beim Sieger des Schweizer Halbfinals in London aus. Auch für ihn sei es komisch gewesen, gegen seinen Freund Wawrinka zu spielen, sagt Federer. «Doch für Stan ist es bestimmt schlimmer.»
Trotz des Sieges im Direktduell mit Djokovic anfangs der Woche gibt sich Federer vor dem Finale zurückhaltend: «Ob es ein Vorrunden-Match oder ein Final ist, macht für mich keinen Unterschied. Jeder Match gegen Novak ist schwierig.»
Obwohl der Match damals klar in zwei Sätzen an Federer ging, werde es auch dem Serben nicht an Selbstvertrauen mangeln. «Es ist für mich ein Vorteil, weil ich nach dem Sieg mehr Selbstvertrauen gegen ihn habe. Für ihn es vielleicht ein Vorteil, weil er eine zweite Chance bekommt. Und insgesamt ist sein Vertrauen nach all den Erfolgen in diesem Jahr wohl noch etwas höher als meines.»
Ein Jahr nachdem Roger Federer schon einmal nach einem gewonnenen Halbfinal gegen Stan Wawrinka vor den Medien Auskunft gab, erinnert er sich scherzhaft: «Ich fühle mich schon etwas besser als letztes Jahr.» Gemeint war natürlich «viel besser» – es würde sogar für einen Best-of-Five-Final reichen. «Aber das war nicht lustig damals, ich musste erst noch gute Miene zu bösem Spiel machen. Dabei habe er nach dem Match schnell gewusst, dass sein Rücken nicht so schnell heilen würde. »Es war für alle der Horror. Die schlimmsten 24 Stunden meiner Karriere. So schlecht hatte ich mich wohl noch nie gefühlt. Jetzt bin ich sehr erleichtert – ein gutes Gefühl."