Roger Federer verlässt seine Garderobe in Halle (9 Titel) und betritt sein Wohnzimmer in Wimbledon (8 Titel). Alles wie sonst zwischen seinen beiden Top-Turnieren. Könnte man meinen. Bloss: Diesmal ist Federers Gang etwas schwerer, das Gefühl nicht gleich gut wie sonst.
Er betont zwar, dass ihn die Dreisatz-Pleite (6:7, 6:3, 2:6) in Halle gegen Borna Coric (21, Kro) nicht aus der Bahn wirft. «Ich würde am Montag in Wimbledon nicht viel besser spielen, hätte ich hier gewonnen. Ich denke, ich bin nahe an 100 Prozent dran.»
Gleichzeitig gibt Roger zu, dass er bei einem 10. Halle-Triumph «freudiger und lebendiger» wäre. So ist es nun nicht. Die Konsequenz in Zahlen: Federer rutscht vom Tennis-Thron, ist «nur» noch die Nummer 2 und würde in Wimbledon nicht seinen 100. Titel feiern («das wäre schon cool»), sondern seinen 99.
Federer will Details pflegen
Schlimm ist das nicht. Der 36-Jährige will mit seinem Team an den «kleinen Sachen, die ich für Wimbledon noch abändern muss», arbeiten. Federer denkt wohl an sein Timing, die Rückhand und an die innere Ruhe und Gelassenheit, die ihm zuletzt fehlten.
Um den historischen neunten Wimbledon-Triumph – und den 21. Grand-Slam-Titel insgesamt – zu feiern, wird tatsächlich eine Steigerung nötig. Denn: Federer muss mit mehr Gegenwehr rechnen als im Vorjahr. Und zwar nicht nur von den jungen Wilden (Coric, Zverev, Kyrgios), sondern vor allem von seinen ewigen Rivalen.
«Rafa kann gewinnen»
Rafael Nadal (32, ATP 1) hat nach dem 11. Paris-Sieg die Batterien wieder aufgeladen. «Ich bin bereit für Wimbledon», sagt er nach intensivem Rasen-Training in Mallorca. Die Matchpraxis fehlt zwar, doch das ist laut Onkel Toni Nadal egal: «Rafa kann gewinnen, weil er fit und gesund ist.»
Ob auch Novak Djokovic (31, ATP 17) Wimbledon gewinnen kann? Der Serbe fühlt sich «so gut wie seit einem Jahr nicht mehr», in Queens (Gb) unterlag er erst im Final. Sein Bezwinger: Der 1,96 Meter grosse Service-Riese Marin Cilic (29, ATP 5), seinerseits Wimbledon-Finalist im letzten Jahr. Damals bremsten ihn eine Fussverletzung, die Federers Aufgabe erleichterte. Bleibt Andy Murray (31, ATP 156), der seine chronischen Hüftprobleme endlich im Griff hat und nach 2013 und 2016 das Wimbledon-Triple anstrebt.
Das Fazit? Federers Gegner sind bereit, dessen «Wohnzimmer» zu stürmen. Der Rasen-König wird alles investieren, damit es keiner schafft. Sein erster Auftritt: Nächsten Montag um 14 Uhr Schweizer Zeit.