Grigor Dimitrov startet gut in seinen zweiten Halbfinal an einem Grand Slam. Gleich im ersten Game erarbeitet er sich gegen Rafael Nadal zwei Breakbälle. Doch bereits im ersten Game gibt der Spanier auch einen Vorgeschmack seiner Kämpfer-Qualitäten. Der kleine Fehlstart ist das rote Tuch für den «Stier von Manacor», genau, was er braucht, um auf Hochtouren heiss zu laufen. Er krallt sich das umstrittene Spiel, durchbricht die bulgarische Nummer 15 der Welt früh und brennt schnell zum 6:3 durch.
Bei 1:2 dann schnaubt der Stier dennoch vor Wut. Beim heiklen Stand von 0:30 gibt Schiedsrichter Pascal Maria die erste Verwarnung wegen Zeitüberschreitung. Nadal, der eigentlich vor jedem seiner Aufschläge die 20-Sekunden-Regel verletzt, überzieht diesmal sieben Sekunden – und verliert seinen Service zu Null.
Dimitrov nutzt die Gunst der Stunde nicht sofort. Zwei mal führt er mit Break, zweimal lässt er sich den Vorsprung wieder nehmen. Vier Satzbälle laufen ins Leere. Doch der 25-jährige Ex-Lover von Maria Scharapowa behält einen kühlen Kopf, nutzt der 5. Satzball zum 7:5.
Soweit hält er die Tradition, wenigstens einen Satz gegen Nadal zugewinnen – wie bei all seinen bisherigen sieben Niederlagen. Seinen einzigen Sieg über den Mallorquiner landete Dimitrov beim letzten Duell letztes Jahr in Peking. Spukt diese jüngste Erfahrung nun in Nadals Kopf herum?
Das Publikum hilft, diese zu Vergessen. Die Rod Laver Arena wird zur Stierkampf-Arena, durch die «Rafa, Rafa»-Chöre dröhnen. Dimitrov ist nicht zu beneiden, ähnlich wie Stan Wawrinka Tags zuvor gegen Liebling Roger. Die Leute wollen einen Final Federer – Nadal, um jeden Preis. Und auch wenn es in einem ausgeglichenen dritten Satz nicht leicht für Rafa ist: Er tut alles dafür – bis er den Tie-Break 7:5 gewinnt.
Der Bulgare, der wegen seines eleganten Stils und der einhändigen Rückhand früher «Baby-Federer» genannt wurde, ist schnell, aggressiv, nervenstark und kämpft mit Herz. Er zeigt, dass er endlich gelernt hat, sein grosses Talent umzusetzen, hält weiter mit. Wieder geht die Partie über den Tie-Break. Und diesmal gewinnt ihn Dimitrov 7:4.
Der fünfte Satz wird einmal mehr zum Nerven-Krimi. Der 25-jährige Herausforderer kann drei Breakbälle nicht verwehrten – der 30-jährige, aufgepumpte Routinier dann endlich seinen fünften zur 5:4-Führung. Und nach vier Stunden und 56 Minuten versenkt er seinen dritten Matchball zum 6:4 – und schmeisst sich vor Freude auf den Boden.
Nadal steht zum 21. Mal in einem Grand-Slam-Final. Im Traumfinal! Zum neunten Mal gegen Langzeit-Rivale Roger Federer, der ihn bisher nur zwei Mal im Endspiel von Wimbledon besiegen konnte. Aber das letzte Major-Finalduell liegt schon über fünf Jahre zurück (Paris 2011). Die Australian Open konnte der Spanier 2009 nur einmal gewinnen. Unser Schweizer hingegen vier Mal (2004, 2006, 2007 und 2010).