Bei seiner Rückkehr nach dreijähriger Absenz blickt Roger Federer in Paris auf eine perfekte erste Woche zurück. Gegen seine bisherigen Herausforderer Sonego, Otte und Ruud hat er seine Energien nicht unnötig verschwendet. Dafür mit täglichen Liebesbekundungen und stehenden Ovationen der französischen Fans reichlich Energie getankt. Für seinen heutigen Achtelfinal-Gegner Leonardo Mayer (ATP 68), den er in allen bisherigen drei Begegnungen schlagen konnte. Perfekte Voraussetzungen.
Perfekt – eines der meist verwendeten Wörter im Zusammenhang mit dem Schweizer Superstar. Schon die 2007 erstmals veröffentlichte «Roger Federer Story» des Schweizer Buch-Autors René Stauffer, dessen neue Biografie «Roger Federer» in diesem April erschien, hiess «Quest of Perfection». Übersetzt heisst das: «Streben nach Perfektion» – auf Deutsch erschien das Buch indes unter dem Namen «Das Tennis-Genie».
Federer identifiziert sich wohl eher mit der englischen Version. «Du kannst der Perfektion immer schön hinterherrennen. Du erreichst sie eh nie», sagt er zu SonntagsBlick. Es sei vielleicht ein perfekter Tag, wenn er ein grosses Turnier gewinne. Oder wenn er einen schönen, sonnigen Tag mit Familie und Freunden verbringe. Er selbst sei keineswegs perfekt: «Auch ich habe meine Probleme und viele Makel. Ich probiere aber immer, das Beste zu geben – ob auf dem Platz, in der Pressekonferenz, als Freund, Kollege oder wo auch immer.»
Selbst die Konkurrenz ist beeindruckt
Welche Makel der vierfache Vater hat, wissen nur seine Nächsten. Das Label «perfekt» haftet dennoch am grossen Meister seines Fachs. Das hat er auch seinem einst von Freundin Mirka entworfenen, geschwungenen Logo RF zu verdanken, das sich so harmonisch in das Wort «peRFect» einbetten lässt. Es schmückte T-Shirts, Kappen, Tassen und Kalender, machte Federer zur Werbe-Ikone. Denn selbstverständlich lässt sich der Rekordmann und Vorzeige-Schweizer auch perfekt vermarkten. Und mit dem Amerikaner Tony Godsick, neben dem er so erfolgreich den Laver Cup lancierte, hat er den perfekten Manager dafür.
Den Ruf als «Mr. Perfect» hat sich Roger verdient, darüber sind sich die Experten einig. In einem Interview mit der Sonntagszeitung wird er sogar von Toni Nadal, Onkel und langjähriger Coach des härtesten Rivalen Rafael Nadal, geadelt. «Was die Technik betrifft, ist Federer sehr nahe an der Perfektion», so der Mallorquiner, der sich heute um Nadals Tennis-Academy in Manacor kümmert. «Zu spielen wie er ist sehr, sehr schwierig. Dafür muss man viel mitbringen.»
Zunächst einen gut trainierten Körper, weiss Patrick Mouratoglou, der Coach von US-Tennisqueen Serena Williams. «Roger ist einer der besten, wenn nicht der bestvorbereitete Sportler im Tennis.» Der Franzose spricht damit auch das Federer-Team mitsamt Kondi-Trainer Pierre Paganini und Physio Daniel Troxler an. «Sie haben einen unglaublichen Job mit ihm gemacht. Wie er sich bewegt, sieht so locker aus, sportlich, aber sehr leicht. Er hat den perfekten Körper für Tennis.»
Da fällt das Wort schon wieder. Auch bei Belinda Bencic, wenn sie von ihrem Idol schwärmt. In den letzten drei Jahren gewann sie an Federers Seite zweimal den Mixed-Event Hopman Cup im australischen Perth. «Von ihm kann ich soviel lernen und profitieren. Wer könnte mich besser motivieren? Mit Roger zu spielen, ist der perfekte Saisonstart für mich.»
Federer sorgt für mehr Nachwuchs
Diese Vorbildfunktion streichen besonders die Vertreter des Schweizer Tennisverbands heraus. Michael Lammer, Nachwuchschef der U15-Junioren bei Swiss Tennis, sagt: «Roger ist auf und neben dem Platz das perfekte Vorbild. Seine Leidenschaft für diesen Sport und der Drang, sich immer weiter verbessern zu wollen, ist für mich bei der Nachwuchsarbeit das perfekte Beispiel.»
Verbands-Präsident René Stammbach bestätigt Lammers Einschätzung. «Unbezahlbar», nennt er Federers Wert für die neue Generation. Er sei der perfekte Botschafter, der alle Stufen der Verbandsförderung absolviert hat und im Rahmen des «Tennis Etudes»-Programmes im Nationalen Leitungszentrum ausgebildet wurde. «Er verkörpert unsere Philosophie in Perfektion», so Stammbach, «steht uns für Anlässe und Treffen mit Junioren ebenso zur Verfügung, wie er auch immer wieder angehende Profis zu Trainings einlädt.» Roger gebe mehrfach zurück, was er einst erhalten habe. «Die Lizenzzahlen bei den Knaben nahmen auch dank seiner Erfolge zwischen 2003 und 2010 um rund 30 Prozent zu.»
Und vielleicht strebt ja einer dieser Knaben nach Perfektion, wie Federer.
Federer um 12.30 Uhr – Stan um ca. 14 Uhr
Am Sonntag spielt Roger Federer um ca. 12.30 nach einem Frauen-Match auf dem 1. Centre Court. Wawrinka indes nach zwei Frauen-Matches (direkt nach Donna Vekic) um ca. 14 Uhr auf dem 2. Centre Court.