Mirjana Lucic-Baroni sagt in der Schweiz womöglich noch denen was, die sie 1998 als 15-jährige Teenagerin neben Martina Hingis das Doppel gewinnen sahen.
Mit 34 Jahren steht sie nun – 18 Jahre nach ihrem letzten Grand-Slam-Halbfinal (1999 in Wimbledon) – wieder unter den letzten Vier eines Major-Turniers. Dazwischen liegen Dekaden des Leidens, der Flucht vor dem gewalttätigen Vater, des tiefen Falls in ein schwarzes Loch. Eine ähnliches Vater-Tochter Drama wie es Timea Bacsinszky kennt – vielleicht noch schlimmer. Eines Tages werde sie vielleicht ein Buch mit einer langen Geschichte schreiben und alles erzählen, so Lucic-Baroni.
«Das hier bedeutet mir die Welt»
Aber jetzt ist nicht der Moment dazu, jetzt will sie das Glück über ihr 6:4, 3:6, 6:4 gegen Mitfavoritin Karolina Pliskova (Tsch, WTA 5) geniessen. Vor ihrem letzten Game hängt sich Lucic-Baroni einen Rosenkranz um den Hals und stopft ihn unters Shirt. Die 34-Jährige kniet am Boden, bekreuzigt sich, schluchzt vor Freude, Erleichterung, Stolz. «Gott ist gut» – das ist alles, was mir im Moment einfällt», sagt sie. «Das hier bedeutet mir die Welt. Es macht, alles, was ich erlebt habe, ok.» Privat habe sie ihr Glück mit dem italienischen Restaurant-Besitzer Daniele Baroni bereits gefunden. «Aber sportlich gesehen ist heute Zahltag.»
Glücklich und befreit wird Mirjana Lucic-Baroni morgen ihren Ü30-Halbfinal gegen Weltnummer 2 Serena Williams angehen. «Unser letztes Duell liegt beinahe zwei Jahrzehnte zurück – es ist unglaublich», staunt auch die in den kalifornischen Slums aufgewachsene US-Tennis-Queen, die ihren Frieden mit der Welt schon lange gefunden hat.
Serena Williams wieder die Nummer 1?
Serena trägt Jahr für Jahr neue Kapitel in die Tennis-Geschichtsbücher ein. Mit 35 soll nun hier in Australien der Traum des 23. Grand-Slam-Titels und damit alleinigen Rekords vor Steffi Graf endlich in Erfüllung gehen. Nach dem 6:2, 6:3 gegen die Britin Joana Konta ist sie zwei Schritte davon entfernt. Mit dem Titel wäre sie wieder die Nummer 1.
«Sie ist die beste Spielerin aller Zeiten im Frauen-Tennis», sagt Lucic-Baroni neidlos. «Aber so schlecht bin ich auch nicht. Ich gehe da raus und nehme mein Herz in die Hand.» Wie gross und stark dieses ist, wissen wir ja jetzt.