Nach seinem 101. Turniersieg in Miami Ende März stürzt sich Roger Federer in sein neustes Abenteuer. In Madrid startet er ab dem 5. Mai auf Sand – erstmals wieder nach drei Jahren. Nach der Niederlage im Achtelfinal von Rom 2016 (gegen Thiem) zwickte der Rücken. Federer sagte für die French Open ab und mied in den Folgejahren die Sandsaison komplett. Dieses Jahr will es der Maestro wieder wissen. Er plant mit dem Turnier in Madrid und den French Open. Allenfalls kommt noch Rom dazu. Um gewappnet zu sein, schuftet er seit Anfang Monat – unter anderem mit seinem Fitnesscoach Pierre Paganini.
BLICK: Herr Paganini, wie viel Pause war Federer nach Miami vergönnt?
Pierre Paganini: Etwa eine Woche. Wobei er in den letzten Tagen dieser Kurzferien schon erste kleine Trainingseinheiten absolvierte – damit der Schock für den Körper nicht zu gross ist, wenn es richtig losgeht. Am 6. oder 7. April begannen wir dann mit dem normalen Programm. Seitdem trainieren wir regelmässig in Graubünden und im Raum Zürich. Ich pendle gern hin und her.
Arbeitet er seitdem mehr an der Kondition oder mehr am Sand-Tennis?
In dieser Phase ist es wichtig, dass Roger auch genug zum Tennisspielen kommt. Aber wir fingen mit der Kondi an. Ein komplexer Aufbau, bei dem wir uns nicht verzetteln dürfen, sondern die wichtigsten Punkte hart und konsequent vertiefen müssen.
Was sind diese Punkte?
Es ist zu spezifisch, um das genau zu erklären. In der Ausdauer, im Kraftbereich, in Gewandtheit und Explosivität gibt es viele Unterfaktoren. Um alles zu trainieren, ist diese Phase vor Madrid zu kurz. Und dazwischen sollte er auch genug freie Tage bekommen. Sie gehören genauso zum Training – und sind nicht zum Feiern da, sondern für die Erholung vorangegangener Trainingseinheiten und zur Vorbereitung für den nächsten Tag. Für die Harmonie im Training ist der richtige Moment für Freitage entsprechend wichtig. Von Roger erfordert dies eine grosse Flexibilität. Und dafür, dass er eine so grosse Familie hat, meistert er das vorbildlich.
Was gilt es in der Sand-Vorbereitung besonders zu beachten?
Entscheidend ist der Fakt, dass er schon seit längerer Zeit keinen Wettkampf mehr auf Sand bestritten hat. Deshalb unterscheidet sich von der Vorbereitung zur Rasen- oder Hartplatzsaison, wo er regelmässig Turniere gespielt hat. Vor der Sandsaison müssen wir ihm mehr Zeit geben, gewisse Themen besonders zu beachten. Man darf nicht vergessen: Roger hat im Leben schon so viel trainiert, dass die Vorbelastung des Körpers stets berücksichtigt werden muss. Dafür hat er in Dani Troxler zum Glück einen guten Physio.
Läuft die Vorbereitung mit Federer derzeit wunschgemäss?
Unsere Arbeit dauert noch bis zum 5. Mai. Es ist also noch zu früh, um das zu behaupten. Wunschgemäss ist es erst, wenn die Resultate dann gut sind. Aber wir sind gut gestartet. Schön ist schon mal, Rogers Vorfreude auf den Sandbelag zu sehen. Er geht das Training wie ein Kind an, das sich auf den ersten Schulausflug freut – ein Wahnsinn! Diese Begeisterung zu spüren, hat einen grossen Einfluss auf die Trainingsqualität.
Hat Federer auf Sand den gleichen Ehrgeiz wie auf anderen Belägen, wo nur der Sieg zählt?
Bei Roger ist die Begeisterung immer gleich gross wie der Ehrgeiz und umgekehrt. Das hat nichts mit dem Belag zu tun, sondern mit Tennis-Verliebtheit. Ich glaube, Roger kann auf jeder Unterlage grosse Resultate reissen. Er geht jedes Turnier an, als wäre es das erste und zugleich auch das letzte. Im Hier und Jetzt setzt er stets alles auf eine Karte. Was nächste Woche ist, weiss niemand.
Ist die Verletzungsgefahr auf Sand am grössten?
Ich bin der Meinung, grundlegend nicht. Jede Unterlage hat ihre Tücken. Auf Sand werden Quadrizeps und Adduktoren speziell gefordert, der untere Rückenbereich auf Rasen und die Fuss-, Knie- und Hüftgelenke auf Hartbelag. Das ist Tennis. Dazu hat jeder Körper andere Schwachstellen und Stärken, ist auf verschiedenen Unterlagen anfällig. Ein Rafael Nadal fühlt sich auf Sand besser geschützt, seine Knie schmerzen mehr auf Hartbelag. Gewisse Verletzungen kann man nicht umgehen, aber ich denke, dass wir mit individuell abgestimmtem Training vieles verhindern können.
1081 Tage ist es heute her, dass Federer sein letztes Spiel auf Sand bestritt. In Rom verlor er am 12. Mai 2016 im Achtelfinal gegen Dominic Thiem.
11 Turniere gewann Federer bisher auf Sand, zuletzt 2015 in Istanbul.
27'531 Minuten stand Federer bei Sand-Spielen schon auf dem Platz. Das entspricht über 19 Tagen nonstop.
305 Minuten – Federers längstes Spiel fand auf Sand statt. 2006 verlor er den Rom-Final nach epischem Kampf gegen Rafael Nadal nach über fünf Stunden in fünf Sätzen.
1081 Tage ist es heute her, dass Federer sein letztes Spiel auf Sand bestritt. In Rom verlor er am 12. Mai 2016 im Achtelfinal gegen Dominic Thiem.
11 Turniere gewann Federer bisher auf Sand, zuletzt 2015 in Istanbul.
27'531 Minuten stand Federer bei Sand-Spielen schon auf dem Platz. Das entspricht über 19 Tagen nonstop.
305 Minuten – Federers längstes Spiel fand auf Sand statt. 2006 verlor er den Rom-Final nach epischem Kampf gegen Rafael Nadal nach über fünf Stunden in fünf Sätzen.
Trainieren Sie also mit Federer ganz anders als mit Stan Wawrinka?
Grundsätzlich habe ich meine Trainingsmethode und -philosophie. Diese ändere ich nicht, aber ich passe sie den Stärken und Schwächen sowie den körperlichen und zum Teil auch spielerischen Voraussetzungen des Spielers an. Stan und Roger sind zwei sehr unterschiedliche Athleten, die beide schon lange auf der Tour sind. Es ist wichtig, dass wir die zum Teil ähnlichen Übungen anders verteilen und dosieren.
Ist Federers Körper auf Sand in Gefahr?
Er war im Verlauf seiner Karriere nur selten verletzt und grundsätzlich nicht öfter auf einem bestimmten Belag. Wichtig für einen Belagwechsel ist, sich im Kopf schnell auf etwas Neues einzustellen, so hast du in der Umsetzung die richtigen Reflexe. Zum Glück ist das eine von Rogers meist unterschätzten Qualitäten. Seine Anpassungsfähigkeit ist faszinierend. Baue ich im Training eine Variante ein, findet er innert weniger Sekunden die optimale Ausführung. Ich will jetzt nicht einfach lieb sein mit ihm, aber er ist eben auch intelligent! Roger ist viel strategischer, als man glaubt. Sein Spiel ist sehr spontan, aber im Voraus macht er sich immer viele Gedanken.
Sie zucken wohl am meisten zusammen, wenn Roger auf dem Platz ausrutscht oder sein Gesicht verzerrt ...
Sicher, wenn er sich an die Wade langt, hoffe ich sofort, dass ihn eine Mücke gestochen und nicht ein Muskel gezwickt hat. Generell empfindet aber wohl jeder, der Roger unterstützt, das Gleiche: Glück, wenn er spielt, und Nervosität, ob alles gut geht. Wir, die mit ihm arbeiten, wissen dazu noch, was hinter den Kulissen abläuft. Wir sehen sofort, ob er einen super Tag hat oder nur einen mässigen oder einen schwierigen. Anhand dieser Informationen reagieren wir oft noch sensibler.
Woran erkennen Sie, dass Roger keinen guten Tag hat?
Ich habe ja das Privileg, ihn seit seinem 14. Lebensjahr zu kennen und seit 19 Jahren mit ihm zusammenzuarbeiten – da spürt man gewisse Dinge und erkennt schon in Rogers Blick viel. Dazu scheut er aber auch den Dialog nicht. Er gibt sehr professionell Informationen durch.
Im Team ist er also kein Pokerface, wie oft für die Gegner auf dem Platz?
Gar nicht, er ist total offen! Dazu redet er gern, und es tut ihm gut. Ich erlebte schon, wie Roger nach einem Tennistraining ein Interview geben musste, obwohl er sehr müde war. Danach kam er ins Konditionstraining und war gar nicht mehr müde. Das bedeutet, er schöpft sogar Energie aus Gesprächen. Das ist einer der Gründe, warum seine Karriere so lange dauert: Er nimmt aus jeder Situation etwas Positives mit.