Um in ihrem Dopingfall Klarheit zu schaffen, erschien die schöne Maria gestern in London vor den Richtern des Internationalen Tennis-Verbands zu einer Anhörung. Im Juni soll dann der Entscheid fallen, ob sie allenfalls schon in Wimbledon wieder spielen darf, oder ob sie doch zwischen sechs Monaten und zwei Jahren gesperrt wird.
Es ist zwar nicht überliefert, dass Maria Scharapowa gläubig ist. Aber im Moment hilft der 29-jährigen russischen Tennis-Queen nur noch Beten. Dass die 1,88 m grosse Blondine auf den Tenniscourts begnadet spielt, hat sie mit fünf Grand-Slam-Titeln bewiesen. Ihr von Gott gegebener Körper hat sie als begehrte Werbeträgerin zur bestverdienenden Sportlerin der Welt gemacht.
Nur – seit diesem Jahr ist alles anders. Scharapowa wurde im Februar bei einer Dopingkontrolle am Australian Open die seit dem 1. Januar verbotene Substanz Meldonium nachgewiesen – wie übrigens 287 andern Sportlern auch. Und am 12. März war Maria bei einer Pressekonferenz in ihrer Causa selbst aktiv geworden. Vorbildlich, ohne faule Ausreden, hat sie zugegeben, seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen ein Medikament mit der neu verbotenen Substanz geschluckt zu haben. Sie habe das Informations-Mail des Internationalen Tennis-Verbands schlicht nicht beachtet, in dem alle Spielerinnen und Spieler auf die neue Dopingliste – mit Meldonium! – hingewiesen wurden. Die Konsequenz: Scharapowa wurde vom Sport suspendiert. Wie viele andere, vorwiegend Sportler aus ehemaligen Sowjetrepubliken.
Das Wirrwarr um Meldonium ist seither gross – medizinisch und juristisch. Weil man sich nicht einig darüber ist, wie lange die Substanz nach der Einnahme im Körper nachweisbar ist, sind noch keine definitiven Sperren ausgesprochen. Sportler, die vor dem 1. Januar Meldonium genutzt haben – als die (leistungssteigernde) Substanz noch erlaubt war –, sollen nicht bestraft werden. Solche, die nach dem 1. Januar 2016 weiterschluckten hingegen schon.
Über Details der gestrigen Londoner Anhörung weiss man zwar nichts. Für eine Begnadigung von Scharapowa bleibts aber so oder so kompliziert. Scharapowa könnte über ihre eigene Pressekonferenz vom 12. März stolpern: Da hat sie ja selbst gesagt, die Änderung der Dopingliste nicht beachtet und die neu verbotene Substanz weiter geschluckt zu haben …
Begnadigung – mitten im grössten Dopingskandal?
Man muss sie also sperren. Eine Begnadigung von Scharapowa wäre zum jetzigen Zeitpunkt im Weltsport ein Skandal. Nach den neusten Enthüllungen über Russlands Dopingpraktiken, dem Verdacht der 15 gedopten Medaillen-Gewinner bei den Winterspielen 2014 in Sotschi, der Ankündigung, wonach 2008 in Peking 31 Sportler bei nachträglichen Analysen ihrer Proben positiv gewesen seien.
Der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wurde weltweit noch nie derart genau auf die Finger geschaut, wie in diesem Tagen. Und wenn der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach gestern versicherte: «Wenn die Vorwürfe wahr sind, werden wir unsere Null-Toleranz-Haltung anwenden. Gegen alle, die in unserem Machtbereich sind!» Bloss – wie bei Scharapowa sind auch Bachs Worte für viele eine Glaubensfrage.