Bevor Roger Federer den ersten Ball seiner Night Session gegen den Deutschen Philipp Kohlschreiber spielt, dürfte ihm der dramatische Match auf Showcourt Grandstand nicht entgangen sein. Dominic Thiem (ATP 8) und Juan Martin del Potro (ATP 28) stehen am Ende des vierten Satzes. Nachdem der beliebte Argentinier zu Beginn unter Übelkeit litt und die ersten beiden Durchgänge an ihm vorbeiflogen, wirkt ab Satz 3 die Pille vom Doktor – und er kämpft sich zurück. «Delpo» oder Thiem: Einer der beiden wird der Viertelfinal-Gegner – von Federer oder Kohlschreiber.
Die stehen – wie immer, wenn der Schweizer spielt – auf dem Centre Court. 22'000 Fans – darunter auch Berühmtheiten wie Justin Timberlake – begleiten die Tennisstars durch ihre Show im riesigen Arthur Ashe Stadium, der grössten Tennis-Arena der Welt. Und es läuft bald ganz nach dem Geschmack der überzähligen Anhängerschar Federers, der alle elf bisherigen Begegnungen gegen seinen regelmässigen Trainingspartner gewonnen hat.
Dieser rechnete sich dennoch Chancen aus. «Wenn Roger schlecht spielt, bin ich da», sagte «Kohli» vor der Partie. Der 33-Jährige befindet sich im Hoch, beflügelt durch neue Inputs seines neuen Coaches Markus Hipfl (Ö). Er liebt die Bedingungen in Flushing Meadows und gab bis in den Achtelfinal noch keinen Satz ab.
Aber es gibt bekanntlich immer ein erstes Mal. Und das kommt nach knapp 40 Minuten. 4:6 verliert der Deutsche seinen ersten Durchgang im Turnier, nachdem ihn der 19-fache Grand-Slam-Sieger zum 3:4 gebreakt hatte. Und es soll noch schlimmer für ihn kommen.
Viele der wunderbaren Ballwechsel zwischen den beiden einhändigen Rückhändern gehen zugunsten Federers aus. «Es gibt keine Geheimnisse zwischen uns», hatte dieser gesagt – und er weiss diesen Vorteil besser auszunutzen. Die Breaks zwei und drei fallen im zweiten Satz, der 6:2 endet. Es kommt zu einem weiteren im Dritten (7:5). Kohlschreiber hat während der deutlichen Niederlage nicht einen Breakball.
Bleibt nur eine Frage offen? Warum nahm Roger nach dem zweiten Satz ein medizinisches Time-Out? Sein Rücken schien beim zweiten Dreisatz-Sieg in Folge kein Thema mehr zu sein. Gerüchte machten schnell die Runde, es zwicke im rechten Oberschenkel. Aber er bewegte sich gut, servierte effizient und konservierte den gefundenen Rhythmus.
Roger: «Hatte ein grossartiges Gefühl während des Matches», sagt er zu Court-Interviewer Brad Gilbert und sorgt dann für viele Lacher: »Ich brauchte einen kleine Massage an meinem unteren Rücken, meinem Po genauer gesagt. Das wollte ich nicht hier auf dem Court machen.»
Den Rhythmus braucht er auch im Viertelfinal, den er gegen ... Juan Martin del Potro bestreiten wird! Der US Open-Sieger von 2009 drehte das Drama mit Hilfe eines parteiischen, beinahe unfairen Publikums auf dem Grandstand tatsächlich noch zu seinen Gunsten. Und gewann – nach dem Thiem schon in Satz 4 zum Match serviert und zwei Matchbälle hatte – 1:6, 2:6, 6:1, 7:6 und 6:4. Del Potro dürfte den folgenden Ruhetag nötiger haben als Federer.
Der Maestro zu seinem nächsten Gegner: «Ist toll ihn wieder zurück auf der Tour und die besten Spieler der Welt wie Thiem schlagen zu sehen.»