Mittwoch, früher Abend – nach seinem Power-Sieg über Pablo Cuevas erwarten die Journalisten bei den Swiss Indoors einen gut gelaunten Stan Wawrinka in der Pressekonferenz. Das ist er zunächst auch – aber dann plötzlich kippt die Stimmung: Die an sich harmlose Frage eines welschen Medienvertreters, was ihm zum Grand-Slam-Sieg noch fehle, bringt den 34-jährigen Romand adhoc auf die Palme.
«Ich finde das Urteil, ich habe kein gutes Jahr, anmassend. Vielleicht übertreibe ich ja, aber ich habe den Eindruck, hier in der Schweiz lese ich das ständig und werde immer darauf angesprochen. Deshalb habe ich ehrlich gesagt etwas den Spass verloren, mit der Schweizer Presse zu reden.»
«Und dann fragt man mich …»
Wawrinka lächelt dabei gequält, versucht, freundlich zu bleiben. Aber seinen Wortschwall kann er nicht bremsen: «Ich bin die Nummer 15 im Race und habe mathematisch noch Chancen, mich noch fürs Saisonfinale zu qualifizieren», klärt die aktuelle Weltnummer 17 auf.
«Und dann werde ich gefragt, was mir zu meinem besten Niveau noch fehlt! Wer hat denn die letzten Jahre Grand-Slam-Turniere gewonnen? Neben den Big-Four bin ich doch der Einzige, der das geschafft hat. Ich finde, das sollte man nicht vergessen. Ich komme von einer schweren Verletzung zurück, spiele gut, habe gerade einen Final erreicht, obwohl ich nach den US Open erneut einen Monat verletzt war. Dort habe ich – auch wenn er am Ende aufgegeben hat – Novak Djokovic geschlagen. Als einer der Wenigen. Und dann fragt man mich: Was fehlt dir, um ein Grand Slam zu gewinnen?»
«Es ist einfach, immer das Negative herauszupicken»
Wawrinka, sonst eher als scheu und wortkarg bekannt, holt Luft und fährt weiter im Text. Man solle auch die Stufen davor berücksichtigen. Nach einer Verletzung wie der seinen brauche er Zeit, auch wenn er fit wirke. Aus seiner Sicht habe er seine Jahresziele erreicht, das Vertrauen zurückgewonnen und die besten Spieler geschlagen.
«Alles in allem war es deshalb ein sehr, sehr gutes Jahr. Klar, ich habe keine Grand Slams gewonnen. Aber wer hat die gewonnen? Danke, okay! Hätte ich diese Saison gerne die Top-Ten oder Grand-Slam-Titel erreicht? Ja. Aber man muss Realist bleiben, man schnippt nicht einfach mit den Fingern und ist auf dem Niveau vor einer schweren Verletzung. Wenn man sieht, wie Rafa, Roger und Novak das Niveau weiter angehoben haben, erst recht nicht.»
Kracher-Duell gegen Federer?
Stan fährt fort: «Ich hätte kein grosses Interesse weiterzuspielen, wenn ich nicht weiter Turniere gewinnen könnte. Ich finde, ich habe das Beste aus meiner Karriere herausgeholt. Es ist einfach, immer das Negative herauszupicken aus dem, was ich mache, wenn ich eine Party besuche oder wenn etwas Negatives läuft in meinem Privatleben oder auf dem Platz, wenn ich verletzt bin. Ich finde: Ihr seid viel zu verwöhnt. 15. in der Welt zu sein, ist viel schwieriger, als ihr denkt.»
Gewinnt Stan heute Abend (19 Uhr) sein erstes Duell gegen US-Athlet Frances Tiafoe (ATP 48), könnte er sich morgen im Viertelfinal mit Federer messen. Egal, ob er verliert oder gewinnt – sicherlich wird ihn niemand fragen, was ihm zum ersten Basel-Sieg noch fehlt.
Ein Kommentar von Ressortleiter Stefan Meier
Stan Wawrinka lässt an den Swiss Indoors in Basel Dampf ab, verteidigt sich und seine Saison. Obwohl er das gar nicht müsste. Seine Reaktion ist äussert dünnhäutig.
In der Sache hat der Romand recht. Seine Saison ist in Anbetracht seiner Verletzungsgeschichte sehr gut. An den French Open und an den US Open erreichte er die Viertelfinals, spielte teils überragend. Und in der Weltrangliste kletterte er von Rang 66 auf Platz 17. Seine Leistungen verdienen Respekt!
Die Sache ist: Wawrinka hat diesen Respekt. Er geniesst Anerkennung in den Medien einerseits. Und er erhält die Liebe der Fans andererseits. Das sieht man auch diese Woche in Basel.
Es ist eine harmlose Frage, die den Wortschwall des 34-Jährigen auslöst: «Was fehlt noch, um wieder Grand Slams zu gewinnen?» Das ist ganz sicher nicht beleidigend. Wawrinka sollte es eher als Kompliment aufnehmen. Die Frage zeigt, dass die Medien noch immer – zu Recht – Grosses von Stan erwarten.
Seine Erfolge haben ihn auf ein Level gehievt, wo grosse Erwartungen mit dazu gehören. Sie sind Teil des sportlichen Ruhms und der Ehre. Und der Druck, der mit den Erwartungen einhergeht, wird mit bisher über 33 Millionen US-Dollar Karriere-Preisgeld fürstlich entlohnt.
Wawrinka hätte gut daran getan, seinen Ärger runterzuschlucken. Ein simples «nicht viel, das beweist meine starke Saison», hätte als Antwort genügt.
Ein Kommentar von Ressortleiter Stefan Meier
Stan Wawrinka lässt an den Swiss Indoors in Basel Dampf ab, verteidigt sich und seine Saison. Obwohl er das gar nicht müsste. Seine Reaktion ist äussert dünnhäutig.
In der Sache hat der Romand recht. Seine Saison ist in Anbetracht seiner Verletzungsgeschichte sehr gut. An den French Open und an den US Open erreichte er die Viertelfinals, spielte teils überragend. Und in der Weltrangliste kletterte er von Rang 66 auf Platz 17. Seine Leistungen verdienen Respekt!
Die Sache ist: Wawrinka hat diesen Respekt. Er geniesst Anerkennung in den Medien einerseits. Und er erhält die Liebe der Fans andererseits. Das sieht man auch diese Woche in Basel.
Es ist eine harmlose Frage, die den Wortschwall des 34-Jährigen auslöst: «Was fehlt noch, um wieder Grand Slams zu gewinnen?» Das ist ganz sicher nicht beleidigend. Wawrinka sollte es eher als Kompliment aufnehmen. Die Frage zeigt, dass die Medien noch immer – zu Recht – Grosses von Stan erwarten.
Seine Erfolge haben ihn auf ein Level gehievt, wo grosse Erwartungen mit dazu gehören. Sie sind Teil des sportlichen Ruhms und der Ehre. Und der Druck, der mit den Erwartungen einhergeht, wird mit bisher über 33 Millionen US-Dollar Karriere-Preisgeld fürstlich entlohnt.
Wawrinka hätte gut daran getan, seinen Ärger runterzuschlucken. Ein simples «nicht viel, das beweist meine starke Saison», hätte als Antwort genügt.