Leander Paes: Sie wollen über Martina reden, nicht wahr?
BLICK: Nicht nur, aber Sie haben den Karriere-Slam mit Hingis geholt. In Paris sagten Sie, dass Sie sie lieben ...
Leander Paes: Martina ist Magie! Sie ist nicht nur eine grossartige Spielerin, das Schönste ist ihre Persönlichkeit. Sie ist eine moderne Frau, sanft und gleichzeitig stark. Nicht viele Menschen sehen das bei ihr, weil sie immer auf dem Court steht und für die Schweiz kämpft. Ich blicke hinter die Kulisse, sehe, wie hart sie arbeitet, was für schwierige Zeiten sie gehabt hat. Seit wir zusammen im World Team Tennis für die Washington Castles spielen, sind wir Freunde. Und ich kann sagen: Sie ist einer der nettesten Menschen, die ich kenne.
Das heisst was, denn bei ihren 45 Titeln, davon 18 an Grand Slams, hatten Sie viele Partner!
Insgesamt 107 im Männer-Doppel. Ich spiele seit 28 Jahren, erlebte neun Spielergenerationen. Traf sogar auf Björn Borg. Jimmy Connors spielte noch. John McEnroe hörte gerade auf. Drei Jahre lang spielte ich mit Martina Navratilova Mixed – auch sie ist noch heute eine meiner besten Freunde. Und nun diese Martina – das muss mein Glücksname sein!
Sie und Martina haben immer viel Spass auf dem Court.
Sehr viel! Wenn du etwas liebst und mit Leidenschaft machst, bist du gut darin und kannst es lange geniessen. Auf meine Hilfe kann Martina immer zählen, wie auf dem Court. In guten und schlechten Zeiten, ob richtig oder falsch – ich stehe hinter ihr.
Wie halten Sie sich jung und fit?
Vor allem durch natürliche Therapie. Unser Körper ist eine schöne Maschine, die man pflegen muss. Mein Coach, Fitness-Trainer, Physio- und Yoga-Meister sind seit über 20 Jahren bei mir. Mein Vater ist Arzt und mein persönlicher Doktor. Ich esse gesund, weiss nicht, wie Alkohol oder andere Drogen schmecken. Ich mache täglich was für Geist und Seele – Yoga, Aikido, Stretching. Das ist meine Philosophie. Aber ich verurteile niemanden, der es anders macht.
Wie erträgt man diese Glamour-Welt, wenn man aus dem ärmlichen Kalkutta kommt?
Dann ist das alles hier ein Traum. Die Schweiz ist einer der besten Orte – wirtschaftlich stabil, sicher, neutral. Das Erste, was Besucher in Indien wahrnehmen, sind viele Menschen, Armut, Hitze. Ich wuchs in der unteren Mittelschicht auf. Auch wenn das Leben dort brutal sein kann – ich liebe mein Land. Mutter Teresa war wie eine Gotte für mich, mein Vater hat sie behandelt. Ich leite ein Waisenhaus und bin stolz, dass ich helfen kann. Diese 10'000 Kinder, die ich neben meiner leiblichen Tochter noch habe, sind meine grösste Inspiration. Wenn du die dunklen Seiten des Lebens kennst, schätzt du die Privilegien noch mehr. Das ist Karma.
Von Ihren Eltern haben Sie sportliche Gene geerbt.
Ich habe alles meinen liberalen Eltern zu verdanken: Meine Mutter war Captain des indischen Basketball-Teams. Sie ist nur 1,50 Meter gross, aber extrem schnell! Mein Vater spielte Landhockey – er gewann 1972 in München Olympia-Bronze. Obwohl sein Grossvater, ein aus Ostafrika nach Goa ausgewanderter portugiesischer Arzt, wollte, dass er Medizin studiert. Mein Vater schaffte beides – er ist mein Guru, mein Held. Über Jahre trug er das Nummer-5-Leibchen für Indien, das ich jeden Tag für ihn bügelte.
Stimmt es, dass es unter Ihren Vorfahren auch Poeten gab?
Ja, vier Generationen zurück. Michael Madhusudan Dutt war einer der grössten Poeten in Bengali-Literatur. Er war ein Rebell, schrieb von Demokratie, Freiheit und Frieden, wofür er dann im Gefängnis landete.
Sie landeten dafür mal in Bollywood!
(lacht) Es war nur ein Film, «Rajdhani Express». Für weitere Angebote war ich immer zu sehr mit Tennis beschäftigt. Aber vor allem liebe ich das Theater. Es ist realer als das Spiel auf dem Tennisplatz. Da gehe ich mit meinem Racket raus, unterhalte die Leute und versuche sie glücklich zu machen. Kleine Dinge verändern die Welt. Zwischen Kalkutta und Wimbledon kann jeder ein Champion sein.