Das Jahr 1998. Céline Dion führt mit dem Titanic-Titelsong «My Heart Will Go On» die Schweizer Hitparade an. Frankreich stürmt in Paris zum ersten Fussball-WM-Titel. Und Martina Hingis spielt letztmals für die Schweiz im Fed Cup. In Genf geht der Final gegen Spanien trotz zweier Einzel-Siege der damals erst 17-Jährigen 2:3 verloren.
Nach der Final-Pleite kommt es zum Bruch. Melanie Molitor schiebt Patty Schnyder den Schwarzen Peter zu und tritt als Coach des Fed-Cup-Teams zurück. Tochter Martina konzentriert sich fortan auf ihre Einzelkarriere.
Immer wieder kokettiert sie mit einer Rückkehr ins Team. Aber der Graben zwischen Swiss Tennis und dem Hingis-Umfeld ist tief. Ihre Teilnahme wird an eine finanzielle Beteiligung gekoppelt.
Etliche Male scheitert eine Rückkehr auch an Verletzungen. Schmerzen und Entzündungen im linken Fuss. Eine Zerrung im Rücken. Ein Ermüdungsbruch.
Für die Schweiz spielt Hingis nur noch ein einziges Mal: 2001 gewinnt sie mit Roger Federer den Hopman Cup. Im Februar 2003, im Alter von gerade einmal 22 Jahren, tritt sie wegen chronischer Schmerzen zurück. Mit 40 Turniersiegen im Einzel, 36 im Doppel im Palmarès. Nach 209 Wochen als Nummer 1. Und mit 20 Millionen Dollar Preisgeld.
Glücklich wird Martina Hingis als Frührentnerin nicht. 2006 kehrt sie auch deswegen zurück. Sie schafft es erneut in die Top Ten. Auch diesmal endet die Karriere mit einem Knall. Im November 2007 gibt Hingis bekannt, während Wimbledon positiv auf Kokain getestet worden zu sein. Sie beteuert ihre Unschuld, akzeptiert aber die Sperre und hört erneut auf.
Fortan sorgt Hingis mit ihren Männergeschichten für Schlagzeilen. Ob Golfer, Jurist, Ski-Lehrer, Eishockey-Star oder Öl-Milliardär – die grosse Liebe von heute ist der Ex von morgen. Nur die Beziehung zu ihrer Mutter Melanie Molitor hält allen Turbulenzen stand. Zwei Mal – 1999 und 2001 – nabelt sie sich ab. Beide Male kommt es zur Versöhnung.
Ende 2010 heiratet Hingis den Franzosen Thibault Hutin. Drei Jahre später ist die Ehe am Ende. Der Vorwurf: Hingis soll Hutin drei Mal betrogen haben. Trauriger Höhepunkt: Im gemeinsamen Heim in Feusisberg SZ eskaliert der Streit. Hingis, Molitor und deren Partner werden handgreiflich. Hutin: «Die wollten mich massakrieren!»
Hingis wählt die Flucht nach vorne und gibt im Sommer 2013 ihr Comeback im Doppel. Weit weg von der Schweiz, geschützt vom Kokon des Tennis-Zirkus. In einer Welt, die Hingis kennt und ihr sportlichen Erfolg bringt. Nach den drei Turniersiegen in Indian Wells, Miami und Charleston ist sie auf dem besten Weg, mit der Inderin Sania Mirza im Doppel wieder die Nummer 1 der Welt zu werden.
Und auch mit dem Fed Cup steht Hingis nach fast 17 Jahren Pause vor der Versöhnung. Heute ist die 34-Jährige in Zielona Gora angekommen – und bereits hat sie in der Halle ein paar Bälle geschlagen.
«Sie ist topfit. Mit ihr sind wir ein ganz anderes Team», lobt Captain Heinz Günthardt. Im Doppel ist Hingis gesetzt. Auch ein Einsatz im Einzel ist möglich, weil Romina Oprandi zuletzt mit einer Verletzung fehlte.
«Es ist ein besonderes Gefühl, wenn man auf den Platz marschiert und die Nationalhymne hört», sagte sie vor 14 Jahren nach dem Sieg im Hopman Cup. Spätestens am Sonntag ist es für Hingis wieder so weit.