Paradiesvogel, Balldrescher, Familienmensch
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Weggefährten erinnern sich:Paradiesvogel, Balldrescher, Familienmensch

Günthardt erinnert sich zu Agassis 50. Geburtstag
So habe ich Andre und Steffi Graf verkuppelt

Er revolutionierte die Tenniswelt mit Zottelfrisur, Jeansshorts und knallhartem Tennisspiel. Zu Ehren seines 50. Geburtstags erinnern sich Weggefährten an Paradiesvogel Andre Agassi.
Publiziert: 29.04.2020 um 02:41 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2020 um 11:44 Uhr
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Einer der grössten Tennis-Spieler aller Zeiten wird 50 Jahre alt: Andre Agassi.
Foto: imago images/Colorsport
Cécile Klotzbach

Ende der 80er Jahre stieg ein neuer Stern am Tennis-Himmel. Er strahlte bunter als alle anderen, viel greller. Denn er unterschied sich durch lange, zottelige, blondierte Haare, grosse Glitzerohrringe und verwaschene Jeans-Shorts über neonfarbiger Thermowäsche vom mehrheitlich weissen modischen Tennis-Einheitsbrei. «Paradiesvogel» Andre Agassi flatterte durch aller Munde – von «empörend» bis «genial» war alles zu hören.

Heute, an seinem 50. Geburtstag, hat sich die Welt mehrheitlich auf «genial» geeinigt. Einerseits wegen 60 Turniersiegen, davon acht an Grand Slams, 101 Wochen als Nummer 1, zwei Davis-Cup-Siegen und Olympia-Gold. Andererseits, weil der gezähmte Amerikaner als Ehemann von Deutschlands Tennisikone Steffi Graf und Vater der Kinder Jaden Gil (19) und Jaz Elle (17) ein Vorzeige-Familienleben führt und gleichzeitig karitative Wohltaten vollbringt.

Becker konnte «nicht viel mit ihm anfangen»

Sogar der frühere Rivale Boris Becker hat sein ursprüngliches Urteil korrigiert, wie er in einem offenen Brief in der «Bild am Sonntag» zugibt. «Als du damals im Profi-Tennis auftauchtest, konnte ich mit dir nicht viel anfangen – und anderen Spielern ging es ähnlich», so der zwei Jahre ältere Deutsche. Er habe Agassi anfangs nicht ernst nehmen können. «Du hast dein Image gepflegt und agiert, als sei dir wichtiger, wie du bei den anderen ankommst, und nicht, wie du wirklich bist. Das war mir suspekt.»

Becker packt zudem eine pikante Anekdote aus. Während eines Duells habe er mit Andres damaliger Frau, Traumfrau Brooke Shields, geflirtet, um seinen Gegner aus der Fassung zu bringen. Mit Erfolg. «Der Luftkuss war eine spontane Aktion, damit ich die Partie noch drehen konnte.» Der Respekt für Agassis Tennisspiel sei zwar schnell gewachsen. Aber bis zum ersten gemeinsamen Bier habe es Jahre gedauert. Becker: «Vermutlich mussten wir beide erst richtige Männern werden, um uns in die Augen schauen zu können.»

Brennwald erkannte Potenzial sofort

Auch bei Roger Federer war es keine Liebe auf den ersten Blick. «Als ich jung war, war Pete Sampras mein Favorit, nicht Andre Agassi», sagt er. Nachdem der Schweizer ihm aber elf mal auf dem Platz gegenüberstand – und nur die ersten drei Male, auch beim Debüt 1998 in Basel, verloren hat), dachte er anders über den Mann aus der Spielerstadt Las Vegas. «Ich lernte so viel von ihm.»

Zu den Weggefährten, die das Potenzial des Paradiesvogels von Anfang an erkannten, gehört der Basler Turnierdirektor Roger Brennwald. «Ich sehe mich noch an meinem Pult daheim sitzen, als Agassis Bruder, der ihn damals managte, mich anrief», erinnert er sich für BLICK. Dass die Verpflichtung des damals 17-Jährigen ein Volltreffer würde, ahnte Brennwald sofort. Und prompt: «Schon im ersten Jahr war er ein Ticket-Renner und begeisterte alle.»

Dieser junge Wilde mit dem Harthitter-Tennis und der zweihändigen Rückhand von der Nick-Bollettieri-Schule habe alles gehabt, was sich Fans und Veranstalter wünschen können. «Kombiniert mit seinem Look und der Unverfrorenheit hat Andre das Tennis neu erfunden. Er hatte eine Aura wie kein Zweiter. Seine grosse Menschlichkeit rundet das Bild ab. Das gibt es in dieser Vollkommenheit nur ganz selten», schwärmt Brennwald.

Günthardt als Kuppler

«So wild und verrückt, wie er aussah, war er gar nicht», glaubt indes Heinz Günthardt. Gemäss dem Schweizer Fed-Cup-Captain sass Agassi jeden Tag am gleichen Tisch, mit den gleichen Menschen, ass zur gleichen Zeit. «Manikür und Pedikür pflegte er fast schon pedantisch, sein Umfeld mit Manager und Trainer war konstant. Und er wurde in Las Vegas geboren und wohnt noch heute in Vegas», so Günthardt. Das Auftreten sei das Gegenteil zu seinen stets gleichen Mustern gewesen und habe wohl er mit dem Image zu tun gehabt, das die Sponsoren kreieren wollten. «Ausserdem waren die Hosen gar nicht aus Jeansstoff, sondern hatten nur die Denim-Farbe. Sie gab zu reden wie Stan Wawrinkas karierte Pyjama-Hose.»

Zu reden gaben auch Agassis Bekenntnisse, die er 2009 – drei Jahre nach seinem Rücktritt als Profi – in der Autobiografie «Open» veröffentlichte. Die Lektüre enthüllt, wie sehr der junge Andre unter dem brutalen Ehrgeiz seines Vaters Emmanuel «Mike» Agassi, einem iranischen Boxer, leiden musste. Wie sehr er das Tennis phasenweise hasste. Und dass seine wilde Mähne nur ein Toupet, also genau so falsch war, wie seine Aussage nach einer positiven Dopingprobe, welche die Einnahme der Droge Crystal Meth ans Licht brachte.

Agassi ist heute geläutert, befreit von Zwängen und Dämonen. Allem voran durch seine Liebe mit der deutschen «Gräfin» Steffi, die er 2001 heiratete und selbst als «grosses Tennis» bezeichnet. Seinen besten Match hat er übrigens auch Heinz Günthardt zu verdanken, der mithalf, die beiden zu verkuppeln. «Agassis Coach Brad Gilbert sagte mir, dass sich Andre in Steffi verknallt hatte. So schlug ich vor, dass er den Platz vor uns zum Trainieren bucht und ich mich absichtlich ein paar Minuten verspäte. So konnten die beiden zusammen warten...»

Es geschah 1999 auf dem Centre Court in Key Biscayne, Miami. Seit dem Zeitpunkt strahlt Agassis Stern noch heller als früher.

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