Tennis-Legende Andre Agassi packt aus
«Djokovic glaubte nicht an das, was ich ihm sagte»

Andre Agassi prägte das Tennis in den Neunzigern und frühen 2000er-Jahren. Nun spricht er im BLICK über Federer, die WM, seine Frau Steffi Graf und warum er Wimbledon schnell wieder verlassen möchte.
Publiziert: 09.07.2018 um 00:52 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:12 Uhr
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Agassi stemmt 1992 die Trophäe. Trotzdem gehört Wimbledon zu seinen schlimmsten Erinnerungen.
Foto: Professional Sport
Cécile Klotzbach (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Für einen Tag flog Tennis-Legende Andre Agassi aus Las Vegas ein, um seine Pflichten als Botschafter für den hier überall servierten Lavazza-Kaffee zu erfüllen. Er wolle schnell wieder weg, ­verrät er. Für BLICK nimmt sich der 48-Jährige Zeit.

Mister Agassi, haben Sie Gänsehaut, wenn Sie ins Tennis-Mekka Wimbledon zurückkehren?
Andre Agassi: Denke ich an die guten Zeiten, habe ich ein schönes Gefühl, wenn ich diesen Park hier sehe. Ich ­geniesse es, da ich kein Tennis mehr spiele. Aber denke ich an alles, was ich hier durchmachen musste, bin ich froh, dass ich nichts mehr damit zu tun habe. Meine Frau Steffi liebte es hier mehr als anderswo. Mir war immer alles zu ­wichtig. Es heisst, es ist der grösste Ort zum Siegen – aber auch der mit dem grössten Druck.

Einen Ihrer acht Grand-Slam-Siege holten Sie in Wimbledon – was war so schlimm?
Die täglichen Stress­situationen. Wenn du dich schlecht fühlst und dein Körper nicht parat für die Herausforderung auf Rasen ist. Wenn du in der ersten Runde auf Court 2, dem frü­heren «Friedhof der Champions» rausfliegst. Das ­alles gehört zu den schlimmsten Erinnerungen in meiner Karriere. Mehr als anderswo ­müssen hier so viele Details ­zusammenkommen und stimmen. Ihr in der Schweiz meint wegen Roger Federer wahrscheinlich, dass du nur ein ­Racket in die Hand nehmen musst und dann läufts. Nein, so ist es nicht. Es ist extrem harte Arbeit – für mich wars hier ­immer am schlimmsten.

Wann reisen Sie wieder ab?
Schon nach einem Tag gehts zurück nach Las Vegas. Zum Glück kann ich hier viel ­Lavazza-Kaffee trinken, der mich wachhält.

Agassi im Gespräch mit BLICK.
Foto: SVEN THOMANN

Es ist eine Partnerschaft, die Sie nach der Karriere eingegangen sind. Federer hat das nun mit dem neuen Ausrüster Uniqlo gemacht – hat Sie das auch überrascht?
Ich kenne Rogers Gründe dafür nicht, aber er wird sie haben. Bei mir ist es der doppelte ­Nutzen, mit meinem Sport involviert zu bleiben und seit drei Jahren eine tolle Unterstützung für meine Stiftung, die Schule in Las Vegas zu haben. Ich weiss aber, dass es hart ist, sich neu zu identifizieren, wenn du so lange mit einer Marke verbunden bist. Sicher ist: Wann immer Roger einen Schläger spielt oder Kleider trägt, strahlen sie heller als an jedem anderen.

Sie und Federer haben noch mehr Parallelen: ihr Engagement für Wohltätigkeit.
Ich finde es toll, dass Roger ­global denkt und nicht nur für sich. Er macht das grossartig – wie übrigens viele andere auch, die sich für arme ­Menschen einsetzen. Ich denke, die Leute schätzen die Tennisspieler dafür zu wenig. Es ist nämlich sehr schön, wie viele von denen Verant­wortung übernehmen.

Überrascht es Sie, dass Federer immer noch spielt?
Extrem sogar, ich wage deshalb keine Prognosen mehr – er ­belehrt mich seit Jahren eines Besseren. Und ich hoffe, dass er noch lange bleibt. Was ich ­sagen kann, ist: Wenn das Ende kommt, kommt es schnell. Das kann bei Roger zwar noch ­einige Zeit dauern, aber auch er spürt, dass die Erholungszeit im Alter länger wird und dass er vorsichtig mit seinen ­Entscheidungen sein muss. Deshalb opferte er die Sand­saison. Auch er wird morgens mal mit einem verspannten, harten Rücken aufwachen.

Trotz gesundheitlicher Probleme und Schmerzen spielten Sie auch bis 36 …
Ja, aber dann war körperlich nichts mehr möglich – mein Körper sagte laut: Stopp! Bei mir war der Verschleiss irgendwann zu gross und es war zu spät, um noch etwas dagegen zu tun. Andy Murray beispielsweise ist noch jung genug, sich von der Hüft-OP zu erholen und wieder gut zu spielen.

BLICK-Reporterin Cécile Klotzbach im Gespräch mit Andre Agassi.
Foto: SVEN THOMANN

Ist Tennis denn so brutal für den Körper?
Natürlich nicht so brutal wie Sportarten mit viel Körper­kontakt – wie Football, Rugby, Boxen oder Hockey. Aber Tennis nützt den Körper ab, wie sonst kaum ein anderer Sport. Die ­Belag-Wechsel sind hart zu ­verdauen, die Klima-Wechsel in den verschiedenen Ländern und Kontinenten steigern die Verletzungsgefahr. Es ist nicht leicht.

Hängen Sie nach ihrer Erfahrung mit Novak Djokovic den Trainer-Job für immer an den Nagel?
Ich sah es nicht als Job an, ich wollte helfen! Und ich würde weiterhin nicht zögern, wenn mich einer anruft und sich ein Weg anbietet, mit Tennis in ­Verbindung zu bleiben. Wenn ich könnte, würde ich vielen Spielern gerne in zehn Minuten beibringen, was ich in zehn Jahren gelernt habe. Besonders, wenn sie hören wollen, was ich zu sagen habe.

Wollte Djokovic das denn nicht?
Auch Novak ist in aller Freundschaft dankbar für die Ein­blicke, die ich ihm geben konnte. Aber er glaubte nicht an das, was ich ihm sagte, da kann ich halt auch nichts machen. Es war trotzdem eine gute Erfahrung, ihn ­kennenzulernen und zu versuchen, ihn zu verstehen. Aber wenn du fühlst, dass du mehr schadest als hilfst, macht es ­keinen Sinn mehr und du musst aufhören. Es gab keine echte Zusammenarbeit. Wir waren uns einig, dass wir uns uneinig sind.

Worüber denn?
Sein schlechter körperlicher ­Zustand hat uns beiden nicht ­geholfen. Keine zwei gesunde Tage in Folge zu haben, ist kein guter Anfang. Schon letzten ­August ermunterte ich ihn zu ­einer Operation, damit wir ­keine Zeit verlieren. Aber er wollte nicht stoppen. Dann machte er es im Januar und es vergingen keine fünf, sechs  Wochen, da stand er wieder auf dem Platz. Ich sagte, er müsse sich länger erholen, aber er hetzte nur – los, los! So fragte ich mich: Was mache ich hier? Er braucht mich ja nicht, um ihm nur zuzuschauen. Ich muss mich auch einbringen dürfen. Aber ich hoffe für ihn, dass er sich jetzt wieder richtig gut fühlt.

Verfolgen Sie die Fussball-WM?
Seit Deutschland verloren hat, interessiert mich die nicht mehr. Ich geh da voll mit Steffi. Mir ist es egal, wer gewinnt. Haupt­sache, es ist auch da eine emotionale Geschichte, das würde mir gefallen. Wie im Tennis.

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Andre & Steffi – das Tennis-Traumpaar

Während ihr Landsmann Boris Becker (50) sich kürzlich wieder einmal von einer Ehefrau getrennt hat, stellt Steffi Graf (49) das pure Gegenteil dar. Seit mittlerweile bald 17 Jahren ist sie mit Andre Agassi (48) verheiratet. Das Duo Agassi/Graf ist das harmonische Tennis-Paar schlechthin.

Erfolgreiches Paar: Steffi Graf und Andre Agassi.
Foto: Professional Sport

Für keine Skandale und keine grossen Schlagzeilen sind sie gut. Die Tennis-Szene hat noch nie ein grösseres Traumpaar gesehen, privat wie sportlich. Insgesamt 30 Grand-Slam-Titel (darunter 22 von Steffi) und je einmal auch Olympia-Gold konnten beide in ihren Karrieren gewinnen.

Das Paar lebt seit vielen Jahren in der Glamourstadt Las Vegas (USA), woher Agassi ursprünglich stammt. Sie haben je einen Sohn, Jaden Gil (16), und eine Tochter, Jaz Elle (14). Jaden ist in seiner Freizeit engagierter Baseballer. «Wir bleiben vorsichtig und haben keine riesigen Erwartungen an unseren Sohn», sagte Graf letzten Monat in der «Gala».

Graf engagiert sich wie ihr Mann für wohltätige Stiftungen wie zum Beispiel «Children for Tomorrow». Das Tennis steht nicht mehr speziell im Fokus. Vor zwei Jahren sagte die «Gräfin» in einem Interview: «Die grossen Turnieren versuche ich ein wenig zu verfolgen, aber das Leben zu Hause hält mich in Atem. Diese Aufgabe macht mich aber auch glücklich.» Agassi stand zuletzt als Mitglied des Djokovic-Teams mehr im Mittelpunkt.

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