Tennis-Freude bei Federer
«Ein grossartiges Gefühl, Teilzeit zu arbeiten»

Das T-Shirt für die Sieger-Pressekonferenz ist schon vorgedruckt: «Ro8er» steht auf Federers stolzer Brust.
Publiziert: 16.07.2017 um 21:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:05 Uhr
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Roger Federer an der PK mit seinem kreativen Gewinner-Shirt.
Foto: KEY
Aufgezeichnet: Cécile Klotzbach

Hätten Sie sich 2001, als Sie Pete Sampras besiegten, jemals vorstellen können, eines Tages die achte Trophäe zu stemmen?
Federer:
Nein, ich dachte nicht, dass ich einmal so erfolgreich sein würde. Ich hoffte auf die Chance, eines Tages in einem Wimbledon-Final zu stehen. Acht Siege sind nichts, was du dir zum Ziel nehmen solltest. Wenn doch, dann wurdest du von Eltern und Trainern wahrscheinlich wie ein Projekt behandelt, seitdem du drei Jahre alt warst. So ein Kind war ich nicht. Ich wuchs als normaler Junge in Basel auf und glaubte dran, hoffte und träumte auf eine Karriere auf der Tennistour. Also arbeitete ich hart und es zahlte sich aus.

Wie speziell ist es für Sie, nach dem ersten Grand-Slam-Titel nun beim achten in Wimbledon angekommen zu sein?
Sehr speziell. Wimbledon war immer mein Lieblingsturnier, hier liefen meine Helden über die Courts. Wegen ihnen bin ich ein besserer Spieler geworden. Deshalb bedeutet es mir soviel, hier Geschichte zu schreiben. Aber bei der Siegerehrung dachte ich ehrlich gesagt nicht daran. Da freute ich mich vor allem, nun ein Jahr lang wieder der Wimbledon-Champion zu sein. Das konnte ich kaum abwarten.

Stresst Sie das ganze Drumherum mit den Medien eigentlich in so einem Moment?
Natürlich wäre es schöner, jetzt mit meinen Freunden oben zu sein. Aber es gehört halt dazu. Wir kennen uns alle ja schon lange. Und ich gehe immer noch gern an die Pressekonferenzen. Sie geben einem auch immer die Gelegenheit, den Match nochmals zu reflektieren.

War dieser Match seltsam für Sie, weil Marin Cilic Probleme hatte?
Ich wusste nicht, was sein Problem war. Ich spürte auch nicht, ob es auf der Vorhand oder auf der Rückhand schwieriger für ihn war, ob er sich schlecht bewegen konnte. Als er erstmals den Arzt rief, dachte ich, es sei ihm schwindelig oder so ähnlich. Dass ich es nicht einschätzen konnte, machte es einfacher für mich. Sonst hätte ich ständig daran gedacht, was ich tun muss, um seine Schwäche auszunutzen. So konzentrierte ich mich weiter auf mein eigenes Spiel, mit dem ich zum Glück in Führung lag. Klar, die Atmosphäre war nicht gleich wie bei einem Fünfsatz-Thriller. Aber die hatte ich zur Genüge – ich war froh, dass es heute anders war.

Das erste Mal gewannen Sie Wimbledon ohne Satzverlust im Jahr 2005. Wie würden Sie den damaligen Federer mit dem heutigen vergleichen?
Das ist schwierig zu sagen. Damals hatte ich eine Phase, in der ich fast keine Matches verlor. Aber ich würde vielleicht sagen, dass ich heute der bessere Spieler bin. Aber die Spielertypen sind heute auch anders. Ich bin jedenfalls unglaublich überrascht, wie gut dieses Jahr bisher alles lief. Ich wusste, dass ich wieder gross aufspielen kann, aber nicht auf diesem Level! Ich hätte wie alle gelacht, wenn mir jemand Anfang Jahr zwei Grand-Slam-Titel vorausgesagt hätte.

Was nahmen Sie sich vor, als Sie das Turnier hier letztes Jahr mit vielen Zweifeln verliessen?
Es ging alles nur um die Gesundheit, nicht um das Spiel an sich. Es ging darum, mich in eine gute körperliche Verfassung zu bringen und parat für den Wettkampf mit den Besten, für sieben Mal fünf Sätze zu sein. Das habe ich erreicht. Nur schon als ich in Wimbledon ankam, war ich extrem happy.

Welche Garantien können Sie geben, nächstes Jahr wiederzukehren?
Wir wissen nie, was passiert. Und besonders mit 35, 36 gibt es keine Garantie. Seit meinem letzten Jahr denke ich ihn meinem Turnier- und Fitnessplan nicht mehr weiter als ein Jahr. Ich sehe mich absolut nächstes Jahr hier spielen und versuchen, meinen Titel zu verteidigen. Aber weil das weit weg liegt, nutze ich jedes Mal die Gelegenheit, den Leuten im Moment zu danken. 

Werden Sie – vorausgesetzt, Sie bleiben gesund – noch mit 40 spielen?
Vergessen Sie nicht: Wimbledon spielen und Wimbledon gewinnen sind zwei verschiedene Dinge. Und dafür würde auch noch weniger spielen, noch mehr Schonung nichts nützen. Denn es braucht immer die perfekte Balance zwischen Training, Ferien und Ernstkämpfen, auf die der Körper immer ganz anders reagiert. 

Was treibt Sie an, Ihre Karriere zu verlängern?
Die Liebe zu dem Spiel, zu den grossen Bühnen. Mein wunderbares Team. Meine Frau, sie ist erstaunlich, meine erste Unterstützung. Und in diesem Pensum machen mir Training und Reisen nichts aus. Es ist ein grossartiges Gefühl, Teilzeit zu arbeiten.

Würden Sie Spielern wie Andy Murray auch raten, längere Pausen zu machen?
Dass ich eine Pause machte, bedeutet nicht, dass andere das auch so machen müssen. Gewisse Spieler brauchen viele Matches – das könne nur sie und ihre Teams entscheiden. Für mich hat dies Pause Wunder bewirkt. Auch wenn ich dafür harte Entscheidungen, wie die French Open auszulassen, treffen musste. 

Ihr Ex-Coach Stefan Edberg sagte immer, dass Sie wieder Grand-Slam-Titel feiern würden. Glaubten Sie auch so fest daran?
Ich glaubte dran, ganz ehrlich. Aber es war immer ganz wichtig für mich, dass auch mein Team dran glaubte. Es ist nicht so, dass ich das Team trage – ich brauche es genauso. Es gibt mir die letzten Prozente, die den Unterschied machen. Um sich zu vergewissern, wenn du zweifelst. Und wenn du dich zu gut fühlst, holen sie dich runter auf den Planeten Erde. Ich habe wundervolle Leute um mich herum. Und ich habe jeden einzelnen gefragt, ob er an weitere grosse Siege glauben würde. Sie sagten einstimmig, dass – wenn ich gesund, gut vorbereitet und heiss aufs Spielen bin – alles möglich sei. Ich dachte gleich. Und so kam es heraus.

Können Sie Ihre wahre Stärke selbst einschätzen?
Ich denke, es ist die Konstanz. Und ich scheue die grosse Bühne nicht, spielte darauf sogar immer am besten. Das liegt wohl daran, dass ich schon als Kind grosse Träume träumte, die andere nicht für möglich hielten. Das half mir. Dazu bin ich gesegnet mit Talent, den Rest macht das harte, gute und clevere Training aus. Und mein wundervolles Umfeld mit meiner Frau und meinen Eltern, die mich stets am Boden hielten und dafür sorgten, dass ich der gleiche Mensch blieb. 

Wie geht Ihr Programm in der zweiten Jahreshälfte weiter?
Ich spiele immer etwas mehr im zweiten Teil der Saison und ich denke, an diesem Plan halte ich fest. Wir werden morgen im Team zusammen sitzen und entscheiden, was mit dem Turnier in Kanada passiert. Auf jeden Fall werde ich vor der europäischen Indoor-Saison in Cincinnati und beim US Open spielen, dann den Laver Cup und Shanghai.

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