Federer-Coach Ivan Ljubicic
Vom Flüchtling zum Tennis-Star

Der Kroate Ivan Ljubicic (38) ist als Trainer ein wichtiger Teil des Federer-Teams. Mit einer speziellen Lebensgeschichte.
Publiziert: 16.07.2017 um 13:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:50 Uhr
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Seit Ende Dezember 2015 coacht Ivan Ljubicic Roger Federer.
Foto: THOMANN SVEN
Marc Ribolla, Wimbledon

Für Roger Federer (35, ATP 5) hat der Wimbledon-Final gegen Marin Cilic (28, ATP 6) heute eine doppelte Kehrseite der Medaille. Während sein Gegner ein Kroate ist, erhält Roger in seinem Team durch Ivan Ljubicic ebenfalls die Unterstützung eines Kroaten. Der 38-Jährige coacht seit Ende Dezember 2015 zusammen mit Rogers langjährigem Trainer Severin Lüthi den Maestro.

Ljubicic ist kein Mann der Öffentlichkeit. Die ehemalige Nummer 3 der Welt gibt praktisch keine Interviews, hält sich vornehm zurück. Im Hintergrund ist der Ex-Profi aber eine wichtige Person in Federers Umfeld geworden. Für diesen ist es wichtig, dass es auch auf der menschlichen Ebene stimmt. Wie Federer ist Ljubicic ein Familienmensch, hat selber zwei Kinder (8 und 5 Jahre alt) und ist seit 2004 verheiratet.

16 Duelle gegen Federer

Der Kroate liebt und lebt Tennis. Er hat einen grossen Anteil an Federers neuem, noch offensiverem Spiel mit der Rückhand. Im Vergleich zu seinem Vorgänger als Coach – Stefan Edberg – ist Ljubicic näher am heutigen Tennis dran. Erst fünf Jahre sind seit dem Rücktritt vergangen. Weil er noch so gut spielt, kann ihn Roger ideal auch fürs Einspielen oder als Trainingspartner einsetzen. Schon während Ljubicics Profikarriere trainierten sie oft zusammen und duellierten sich 16 Mal auf der Tour. Immerhin dreimal schaffte er es Roger in den Anfängen der Karriere zu schlagen.

Im Leben stand Ljubicic nicht immer auf der Sonnenseite. Als Bub gerät er mit seiner Familie mitten in den Balkan-Konflikt. Mit 13 Jahren flüchtet er im Mai 1992 gemeinsam mit seiner Mutter und dem Bruder aus Banja Luka (Bosnien-Herzegowina), seiner Heimat. Vater Marko organisiert die Plätze an Bord eines Frachtflugzeugs, kann aber selber nicht mitkommen. Im Gepäck hat Ljubicic lediglich zwei Tennis-Rackets.

Auf der Website des UNHCR schildert Ljubicic die dramatische Lage. «Der Bus fuhr nur Frauen und Kinder zum Flughafen, wo das Flugzeug nach Belgrad wartete. Meine Mutter weinte im Wissen, dass es sich zum Guten wendet.» Mit dem Bus reist die Familie dann durch Ungarn und weiter Richtung Westen. Zu Fuss müssen sie die Grenze nach Slowenien überqueren. Nach einer Woche erhalten sie Gastrecht in einem Hotel für Flüchtlinge in Kroatien.

Davis-Cup-Sieg mit Kroatien 2005

Ein halbes Jahr später gelingt auch seinem Vater die Flucht aus den Kriegswirren. Die Familie ist wieder vereint. «Wir realisierten, was es heisst Flüchtlinge zu sein», sagte Ljubicic einst zur «New York Times». 1994 erhält er eine Einladung in ein Tennis-Camp in Italien und beginnt so seine Profilaufbahn zu verfolgen.

Aus dem Flüchtling wird später tatsächlich ein Tennis-Star. Ljubicic gewinnt zehn ATP-Titel, führt Kroatien 2005 zum Davis-Cup-Sieg und klettert im Jahr darauf bis auf Weltranglistenplatz 3. Er engagiert sich auch stark neben dem Court für seine Kollegen. «Ein Leader», wie ihn Federer einmal bezeichnete.

Ljubicic präsidiert den ATP-Spielerrat, bevor Federer den Vorsitz übernimmt – und als erster aktiver Spieler sitzt er von Juli 2008 bis Februar 2009 im Verwaltungsrat der ATP. Bevor er den Trainerjob bei Federer übernimmt, coacht er zwei Jahre lang den Kanadier Milos Raonic. Mittlerweile lebt Ljubicic in Monte Carlo. Heute kann er mit Federer nach den Australian Open im Januar schon den zweiten Grand-Slam-Titel gewinnen. Und Teil der unglaublichen Comeback-Story des Schweizers sein.

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