Roger Federer, wie sah Ihre letzte Woche aus?
Roger Federer: Sie war sehr relaxt, eine der entspanntesten vor einem Grand-Slam-Turnier. Es ist selten, dass so wenig los ist, zum Glück war es sehr ruhig. Ich glaube, ich gab gerade mal ein Interview. Ich war müde nach Halle, das ist normal. Und ich wollte Energie für Wimbledon sparen.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie in dieses Turnier?
Im vergangenen Jahr habe ich mehr auf Rasen gespielt und mich auch gut gefühlt. Allerdings hatte ich ein Problem am Handgelenk, das war sicher nicht ideal. Ich denke aber nicht, dass dies der Grund für die Niederlagen gegen Coric in Halle und Anderson in Wimbledon war – hier hatte ich ja im Viertelfinal Matchball. Wäre ich durchgekommen – wer weiss, was passiert wäre. Ich hatte bisher ein sehr solides Jahr, körperlich weniger Probleme als im Vorjahr. Entsprechend sind die Resultate solider und konstanter. Und ich habe auch Turniere gewonnen. Im Hinblick auf die grossen Turniere ist das wichtig. Der Fokus liegt nun schon seit längerer Zeit auf Wimbledon und ich weiss, was es geschlagen hat. Die Auslosung spricht auch für mich. Das Selbstvertrauen ist nach der Sandplatzsaison und Halle absolut intakt.
Betrachtet man die Sand- und Rasensaison zusammen, ergibt das einen langen Turnierblock. Welche Auswirkungen hat das auf ihre Planungen im Spätsommer und Herbst?
Das hängt natürlich stark davon ab, ob ich in der ersten Runde verliere, oder das Turnier gewinne. Habe ich mehr Ferien oder nicht? Wichtig ist, dass ich mich nach Halle und Paris gut erholt habe. Da machte ich vier, fünf Tage Pause. Das gleiche hier in Wimbledon. Wichtig ist auch, dass die Qualität im Training stimmt und ich alles richtig plane. Ich habe da wenig Marge für Fehler, diese haben stärkere Auswirkungen. Aber das ist kein Problem, ich bin ja Profi. Ich lasse mir alles offen und mache die weitere Planung davon abhängig, wie ich in Wimbledon spiele. Aber ich werde wie immer flexibel bleiben.
Wie stark unterscheidet sich Rasentennis von Hartcourt-Tennis?
Ich denke, dass es sehr verschieden ist. Die Bewegungen erfordern andere Talente. Der Ball springt völlig anders. Die Rasen-Qualität verbessert sich Jahr für Jahr – so ist es von der Grundlinie immer einfacher. Aber speziell in der ersten Woche in Wimbledon ist der Unterschied zu Hardcourts gross, da der Belag so weich ist und die Bewegungen schwierig sind. In der zweiten Woche ist dann alles etwas schneller und einem Hartplatz ähnlicher.
Welche Dinge können Sie aus der Sandsaison mitnehmen?
Ich glaube nicht, dass ich enorm davon profitieren kann, denn das Spiel ist wie gesagt sehr verschieden. Vielleicht kann ich diese Frage besser beantworten, wenn das Turnier läuft oder gar vorbei ist. Soweit bin ich aber sehr happy, dass ich die Sandsaison gespielt habe. Ich kam da und in Halle ohne Verletzungen durch – ein gutes Gefühl! Ich werde für lange Ballwechsel parat sein. Aber ob ich die suchen werde, nur weil ich auf Sand gespielt habe? Ich denke nicht. Mein Ziel wird immer noch sein, nach dem Punkt zu suchen und das Spiel zu diktieren.
Wie wichtig ist es hier, effizient durch die erste Woche zu kommen?
Gleich wichtig wie überall, ich wüsste nicht, warum es hier besser sein sollte, Fünfsätzer zu vermeiden als in Paris oder Australien. Es kommt eher darauf an, wie gut du dich vor dem Event fühlst und ob du in der ersten Woche darauf aufbauen kannst. Die Einstellung muss sein, dass du in der ersten Woche harte Matches gewinnen und in der zweiten Woche trotzdem gut spielen kannst. Ein komfortabler Start ist natürlich immer ein gutes Zeichen, ich will dem aber keine zu grosse Bedeutung schenken.
Was bedeutet es für den Sport, dass die drei Besten über so lange Zeit so gut spielen?
Es ist grossartig, so was kommt nicht allzu oft vor. Lustig ist doch, dass wir drei uns gegenseitig nicht nur was wegnehmen, sondern uns auch pushen. So hat sich Rafa auf Gras verbessert, Novak vielleicht auf Hartplatz und ich auf Sand. Wir haben uns definitiv gegenseitig besser gemacht und ich weiss nicht, ob wir alle ohne einander noch spielen würden. Ich hoffe, die Fans geniessen das genauso wie wir. Auch, weil wir alle verschiedene Charaktere sind – da kann sich jeder den aussuchen, den er mag.
Der an 3 hinter Ihnen gesetzte Nadal denkt, das Setzsystem in Wimbledon sei nicht fair. Wie stehen Sie dazu?
Was wollen Sie von mir hören? Das System ist, wie es ist. Es war hier wohl schon immer etwas anders. Ich denke, es soll dich dafür belohnen, möglichst viel auf Rasen zu spielen. Wir Spieler müssen damit umgehen. Ich wurde nun eins höher gesetzt, wie Kevin Anderson auch, profitiere wohl davon – aber das war bestimmt nicht mein Plan in den letzten Jahren. Am Ende musst du alle Gegner schlagen, wenn du das Turnier gewinnen willst. Und nun, da die Auslosung gemacht ist, sollten wir nach vorne schauen. Früher wurden gesetzte Spieler einfach ungesetzt – das war noch härter. Nur weil es Rafa traf, ist die Setzliste eine grosse News – Social Media liebt sowas.
Vor 30 Jahren spielten hier Becker und Edberg. Wie wichtig waren die für Sie?
Ich erinnere mich noch gut, wie ich im Wohnzimmer sass – eher auf dem Teppichboden als auf dem Sofa, weil ich so nervös war. Becker war zunächst mein Idol. Bis ein paar meiner Freunde sagten: Warum Becker? Edberg ist cooler. Okay, also ging ich für Edberg.... Aber beide waren sehr wichtig für mich. Wegen ihnen scherzte ich, eines Tages auch Wimbledon-Champion zu werden. Natürlich träumte ich das eher, als dass ich daran glaubte. Das ist 30 Jahre her – ich kanns kaum glauben! Als die beiden dann zurücktraten, wurde Pete Sampras für mich zum coolen Champ.