Im Big Apple schafft es Belinda Bencic (22) erstmals unter die besten Vier eines Majors – ein Meilenstein in ihrer Karriere, der sie zum zweiten Mal in die Elite-Kreise der Top-10 bringt! Für diesen Traum habe sie sehr hart gearbeitet. Nach ihrem Sieg über Freundin Donna Vekic rechtfertigt sie sich beinahe: «Ich denke, ich habe das auf eine Art verdient.»
Und wie! Jetzt, wo Roger Federer und Stan Wawrinka in ihrer Mission frühzeitig gescheitert sind, erst recht. Belinda hält bei den US Open die Schweizer Flagge hoch – und während sie die Erwartungen auch vor ihrer Halbfinal-Premiere dämpft und «Schritt für Schritt, Match für Match, Spiel für Spiel und Punkt für Punkt» predigt, träumen wir insgeheim vom ersten Schweizer Grand-Slam-Triumph im Frauen-Einzel seit Martina Hingis.
Parallelen zu Hingis
Die frühere Swiss Miss holte zwischen 1997 und 1999 fünf Titel – alle bevor sie 20 Jahre alt war. Auch Belinda war schon als Teenager gut. Aber für ihre Bestmarke brauchte es noch einige Jahre – und Rückschläge – mehr. «Veteranin» will sich die 22-Jährige trotzdem nicht nennen. «Ich habe nur etwas mehr Erfahrung für mein Alter. Ich bin keine Juniorin, keine Newcomerin – vielleicht einfach eine ältere junge Spielerin.»
Kein Vergleich zur Frühzünderin Hingis also. Und doch gibt es Parallelen, auf die Belinda immer wieder angesprochen wird: ihr gutes Auge für das Spiel der Gegnerin, die Gabe der Antizipation und ihre eigenen cleveren Spielzüge, die ein wenig an die Denksportart Schach erinnern.
«Dafür habe ich etwas mehr Power»
Ob sie das Spiel von Martina Hingis kopiere, wird sie gefragt. Bencic verneint vehement. «Mit Melanie Molitor hatte ich die gleiche Trainerin und lernte natürlich die gleichen Dinge von ihr. Aber mein eigener Stil war uns immer wichtig.» Genau wie die legendäre Martina zu spielen, würde ihr eh niemals gelingen. «Ich bin nicht so talentiert wie sie, habe nicht das gleiche Gefühl in der Hand», sagt Belinda ohne Neid, «dafür habe ich etwas mehr Power.»
Um eine Art Wunderkind handelt es sich auch bei ihrer nur drei Plätze tiefer klassierten, nächsten Gegnerin. Auch für die 19-jährige Kanadierin Bianca Andreescu, mit der sich Bencic bisher noch nie duelliert hat, ist es der erste Halbfinal an einem Grand Slam. Und auch sie ist eine variantenreiche Alleskönnerin mit Spielwitz. «Sie versucht, die Gegnerin aus dem Rhythmus zu bringen», weiss Belinda, die einmal mit Andreescu trainiert und deren Viertelfinal-Dreisatzsieg gegen Elise Mertens (Bel) angesehen und studiert hat.
Nicht zu weit nach vorne schauen
Sie wird sich anpassen, versuchen, noch ein wenig variabler und noch etwas smarter jeden Winkel des Centre Courts auszumessen, wenn sie heute zur späten Night Session (ca. 2.30 Uhr) das Arthur Ashe Stadium betreten wird. Wer die potenzielle Finalgegnerin ist, wird sie zu dem Zeitpunkt übrigens schon wissen – Gael Monfils' Freundin Jelina Switolina (Ukr) fordert Topfavoritin Serena Williams unmittelbar davor...
Solchen Verlockungen erliegt Belinda Bencic aber nicht mehr. «Im Team haben wir eine Wir-bleiben-am-Boden-Mentalität und ich schätze einfach den Moment.»
Den Halbfinal-Kracher zwischen Belinda Bencic und Bianca Andreescu steigt um 3 Uhr morgens MEZ. Mit BLICK bleiben Sie dran!