Die Kroatin Mirjana Lucic-Baroni schlug in einer buchstäblichen Knaller-Partie die als Nummer 5 gesetzte Tschechin Karolina Pliskova (24) verdient 6:4, 3:6, 6:4. Halbfinaleinzug der Nummer 79 der Welt. Tobender Applaus.
Mirjana konnte es kaum fassen, bekreuzigte sich, schlug die Hände vors Gesicht – und sank dann auf dem Platz in die Knie. Und weinte hemmungslos. Als sie sich wieder erhebt, bekreuzigt sie sich nochmals.
Was für herzzerreissende Szenen, wenn man sich die Karriere der bald 35-jährigen Frau betrachtet: 1998 gewann sie in Australien mit Martina Hingis das Doppel, 1999 stand sie in ihrem bisher einzigen Open-Halbfinal. In Wimbledon, wo Steffi Graf stärker war. Und jetzt ist Lucic-Baroni wieder da.
Das letzte Duell stieg 1998…
Der Wahnsinn: Am Donnerstag stehen sich im Halbfinal mit Serena Williams (35) und Lucic-Baroni (34) zwei Frauen gegenüber, die zusammen schon fast 70 Jahre alt sind. Und sich erst zweimal auf dem Tenniscourt gegenüberstanden. Das war 1998..
Venus freut sich für Mirjana
Nach ihrem lockeren 6:2, 6:3-Erfolg gegen die völlig überforderte Britin Konta (als Nummer 9 gesetzt) wurde Serena von der Platzspeakerin natürlich zuerst auf ihre Halbfinal-Gegnerin angesprochen: «Ich bin so glücklich für Mirjana, dass sie wieder da ist. Unglaublich, dass wir zuletzt vor fast 20 Jahren gegeneinander gespielt haben. Ich hoffe, sie hat ihre schweren Zeiten endlich hinter sich.» Die Amerikanerin gewann damals beide Duelle.
Vom Vater missbraucht?
Für Lucic-Baroni wurde nach harten Jahren im Privatleben, sogar lange ohne Tennis, jetzt wirklich ein Märchen wahr. Missbrauchsvorwürfe gegen den eigenen Vater standen im Raum. Eurosport-Reporter Markus Theil klärte auf: «Sie hat den Medien gesagt, dass diese gar nichts wissen! Aber eines Tages werde ich die Wahrheit ans Tageslicht bringen!» Auch über den langjährigen Prozess mit ihrer Management-Agentur.
Und jetzt knallte diese gereifte Frau aus Kroatien, die nicht einmal einen Ausrüster-Vertrag hat und kunterbunt auftritt, ihre favorisierte und frustrierte Gegnerin einfach mit einem Lächeln aus dem Turnier. Und ist vorerst um 570'000 Franken reicher.
Pliskova völlig entnervt
Was für ein Spiel. Im ersten Satz führt Pliskova 3:1, verliert aber nach 32 Minuten mit 4:6. Das erste Racket muss dranglauben. Im zweiten Satz liegt die Aussenseiterin mit Brille und Dächlikappe schon 2:0 vorne.
«Das ist ja eine richtige Prügelei mit der Rückhand. Da wird einfach voll draufgehauen. Das Spiel mit den kürzesten Ballwechseln im Turnier», sagt Theil. Wenn sie sich den Ball dreimal hin und her spielen, dann ist das schon eine Rarität.
Die Physios müssen helfen
Im dritten Satz spüren die Fans in der Rod Laver-Arena die Sensation. Denn Lucic-Baroni liegt 3:1 vorne. Pliskova, die im zweiten Satz wegen Fussproblemen ein Medical Time out genommen hat, kann es kaum glauben. Doch sie macht drei Punkte in Serie, führt mit 4:3.
3:4 – dann 9 Punkte in Serie
Dann das Wunder von Melbourne. Mirjana nimmt ein Medical Time out in der Kabine, lässt sich den verhärteten Oberschenkel massieren. Und kommt wie ein junges Reh zurück… Die Kroatin schlägt auf, gewinnt zu Null – 4:4.
Jetzt hat Pliskova Aufschlag und gibt diesen zu Null ab – 4:5. Oder acht Punkte in Serie für Lucic-Baroni. Die Nummer 5 der Welt ist schockiert, muss auch den neunten Punkt in Serie abgeben. Dann haut Mirjana den Ball ins Netz, um gleich mit drei weiteren Punkten den Satz und Match zu gewinnen.
Ist Mirjanas Reise vorbei?
Der Kessel kocht, Standing Ovation. Theil: «Ich glaube, von diesem Match wird man auch dank den vielen menschlichen Dramen der Kroatin noch lange reden. Und vielleicht ist ihre Reise 2017 in Melbourne ja noch nicht zu Ende.»
Auch an Coco glaubte keiner
Ja, am Donnerstag treffen sich Serena Williams (35) und Mijana Lucic Baroni (34) nach über 18 Jahren erstmals wieder auf dem Tennisplatz! Auf dem Papier kennen wir die Aussenseiterin… Aber als solche wurde lange auch Coco Vanderweghe gehandelt. Sie spielt im andern Halbfinal gegen Venus Williams.