Achtung Floskel: Vor zwölf Monaten sah die Welt noch anders aus. Das grosse Thema von damals ist aber heute bereits wieder Geschichte. Das Covid-Zertifikat war auf dem Weg, sollte unter anderem den Weg ebnen, die Sportstätten der Schweiz wieder füllen zu können. In vielen Teilen Europas war dies ebenfalls der Fall. Heute sorgen rappelvolle Arenen wieder für tolle Stimmung – ohne Einschränkungen.
Vor zwölf Monaten schlug sich der damalige 18-jährige Carlos Alcaraz noch vor halb leeren Rängen in Roland Garros durch die Qualifikation. Zwei Runden lang hielt er sich bei seinem Paris-Debüt im Turnier, bevor er «Au revoir» sagen musste. Und was für ein Wiedersehen das sein wird. Der Spanier wird heuer als heiss gehandelter Favorit ins Turnier steigen.
«Der beste Spieler der Welt»
«Wunderkind», «spanischer Wirbelwind» oder «Zukunftsversprechen» – die Lobeshymnen für Alcaraz kennen aktuell keine Grenzen. Alexander Zverev (ATP 3) brachte es nach seiner deutlichen Final-Pleite vom Madrid-Masters so auf den Punkt: «Du bist im Moment der beste Spieler der Welt.»
Der Deutsche folgte auf seinen Ritterschlag mit einem Scherz: «Obwohl du gerade fünf Jahre alt bist, schlägst du uns alle.» Mit alle meint der Olympiasieger wirklich alle. Auf dem Weg zum Turniersieg Nummer vier besiegte Alcaraz auch Novak Djokovic (ATP 1) und Rafael Nadal (ATP 5).
«Er ist aus gutem Grund die Geschichte des Männertennis der vergangenen Monate. Die Resultate, die er erzielt hat, sind phänomenal für sein Alter», sagt Djokovic bei seiner PK in Roland Garros. Seit Januar ist Alcaraz in der Weltrangliste von Platz 32 auf Rang 6 gesprungen. «Ein Quantensprung», wie es der Serbe beschreibt.
Carlos, der Bescheidene
Trotz aller Würdigungen bleibt Alcaraz auf dem Boden. «Ich bin die Nummer 6 der Welt. Das heisst, ich habe noch fünf Spieler vor mir, bevor ich der Beste bin», sagt er nach seinem Madrid-Triumph. Die Bescheidenheit, gepaart mit seinem spektakulären Spielstil und der positiven Energie, die er ausstrahlt, machen ihn äusserst beliebt.
In Spanien herrsche aktuell eine grosse Euphorie, erzählt ein spanischer Journalist Blick. Die Leute würden im Moment leben und zurzeit sei er der Beste. Die vielen Parallelen zu Nadal stimmen die Fans hoffnungsvoll, dass er sich einst in ähnlichen Sphären bewegen könnte.
Aufgewachsen in der Nähe Murcias
«Carlitos» kommt wie der 21-fache Grand-Slam-Champion aus einem kleinen Dorf. El Palmar, ein 24’000-Seelen-Ort in der Nähe von Murcia in Südspanien. Als zweitältester von vier Jungs findet er früh zum Tennis. Papa Carlos Senior ist der Sportdirektor des örtlichen Tennisklubs.
Mit 15 Jahren wechselt er in die Akademie Juan Carlos Ferrero. Noch heute ist die ehemalige Weltnummer 1 an der Seite von Alcaraz. Ferrero weiss bekanntlich, wie man in Roland Garros triumphiert. 2003 stemmte er den Pokal in die Höhe – zwei Jahre vor Nadal. Und auch 19 Jahre vor Alcaraz?