Was für ein Tennis-Match! Die Partie zwischen Rafael Nadal und Dominic Thiem dürfte so schnell keiner der Zuschauer vergessen. Die beiden Akteure zeigen im Viertelfinal der Australian Open Tennis der absoluten Spitzenklasse, kämpfen um jeden Punkt – und am Ende ist es Thiem, der den grossen Favoriten aus dem Turnier wirft und in den Halbfinal avanciert.
Für Nadal steht das Duell unter keinem guten Stern. Zwar ist er in den ersten beiden Sätzen nahe dran, verliert in den entscheidenden Momenten dann aber die Nerven. Beide Durchgänge gehen im Tiebreak an Thiem, beim Spanier macht sich Frust breit.
Shotclock macht Nadal wütend
Im zweiten Satz beim Stand von 3:2 wird die Weltnummer 1 von Thiem über den Court gejagt, braucht eine Verschnaufpause – und nimmt sich diese beim Aufschlag. Nadal, der sich generell immer viel Zeit beim Aufschlag lässt, sieht die Shotclock herunterticken – und wird wegen Zeitüberschreitung verwarnt. Das passt dem Spanier ganz und gar nicht. Er stapft auf die Unparteiische zu und geigt ihr seine Meinung: «Du magst kein gutes Tennis, nicht wahr?»
Überhaupt: Freunde werden Nadal und die französische Stuhlschiedsrichterin Aurelie Tourte wohl kaum mehr. Als sich Rafa im vierten Satz einen Ball noch einmal anschauen will, erklärt sie ihm: «Rafa, dafür ist es zu spät.» Demonstrativ streckt er den Daumen leicht höhnisch nach oben, meint: «Okay, alles okay, wenn das so ist …». Der Frust sitzt tief – auch, weil sich Nadal immer wieder beklagt, dass etwa der Ventilator bei seiner Spielerbank nicht funktioniert.
Thiem behält im entscheidenden Moment die Nerven
Tennis wird aber auch noch gespielt. Spielerisch überzeugen beide, Thiem aber behält die Nerven. Die Weltnummer 5 spielt gegen Nadal wohl eines der besten Spiele seiner Karriere, ist stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Selbst vom verlorenen dritten Durchgang lässt sich der Österreicher nicht beeindrucken.
«Ich glaube, wir waren heute beide in grossartiger Form und wir haben ein echt gutes Spiel geliefert. Am Ende brauchte ich aber auch noch ein wenig Glück», meint der Österreicher nach dem Spiel.
Erst beim Stand von 5:4 im Vierten, als Thiem zum Match serviert, zeigen sich auch bei ihm erste Anzeichen von Nervosität. Erst schlägt er eine Vorhand weit ins Aus, dann versenkt er einen vermeintlich sicheren Ball im Netz. Nadal gleicht zum 5:5 aus, rettet sich dann sogar ins Tiebreak.
Reise geht weiter
Von den stahlharten Nerven ist nun nichts mehr zu sehen. Eigenfehler auf beiden Seiten prägen die Entscheidungsphase, Thiem kommt zu zwei Matchbällen – und vergibt beide. Ist das die Wende? Nein. Thiems dritte Chance versenkt Nadal im Netz – und sorgt damit selbst für die grosse Überraschung.
«Ich bin durchaus froh, dass ich das Tiebreak gewinnen konnte. Sonst wären wir jetzt im Fünften, und das wäre echt anstrengend geworden», meint Thiem mit einem Lachen.
Nadal muss damit weiter auf seinen 20. Grand-Slam-Titel warten. Für Dominic Thiem hingegen geht die Reise weiter. Der phänomenale Österreicher steht nach 4:10 Stunden im Halbfinal der Australian Open und trifft dort auf Sascha Zverev. Thiem: «Ich kann es kaum erwarten, am Freitag wieder zurück zu sein.» (zis)