Die Vorzeichen zu diesem Australian-Open-Final versprechen einen Thriller. Melbourne-King Novak Djokovic (ATP 2) will seinen 8. Titel – noch nie hat er hier einen Final verloren und er wird alles geben, damit diese Serie nicht reisst. Der 26-jährige Herausforderer Dominic Thiem (ATP 5) will in seinem dritten Grand-Slam-Final endlich seinen ersten Sieg. Vier der letzten fünf Duelle mit dem sechs Jahre älteren Serben hat der Österreicher gewonnen. Wenn einer also den Djoker reizen kann, dann Thiem.
Und schon nach wenigen Games ist klar: Diese Partie wird lange dauern. Ein umkämpftes, hochklassiges Match, das hin und her schwappt. Djokovic macht das erste Break zum 2:0, zieht auf 4:1 davon. Thiem gleicht aus, schenkt den Satz aber letztlich mit einem Doppelfehler ab. Aber Djokovic braucht 53 Minuten für das 6:4 – er ist gewarnt...
Und prompt kassiert diesmal er mit einem Doppelfehler das erste Break! Der Serbe hadert, stöhnt in den Ballwechseln laut, ist sichtlich genervt. Das Publikum will mehr, unterstützt Thiem, der seinen zähen Gegner wieder an sich ran kommen lässt.
Djokovic legt sich mit Schiri an
Bei 4:4, 15:30 geht’s «Nole» ans Eingemachte. Wegen Zeitüberschreitung beim Aufschlag wird er verwarnt – und zwei Punkte später gleich nochmal, was direkt zum zweiten Service führt. Völlig von der Rolle verschlägt er darauf eine Vorhand weit ins Aus, kassiert das Break. Und er kann froh sein, dass er nicht noch eine weitere Strafe kassiert, denn beim Seitenwechsel tätschelt er ironisch gratulierend dem französischen Schiedsrichter Damien Dumusois den Fuss – eigentlich ein No-Go.
Nach Thiems Satzausgleich (6:4) strauchelt Djokovic, seine Nerven sind bis aufs Äusserste gereizt... Im dritten Durchgang zieht der Ösi sogleich mit Doppelbreak davon – und «Nole» kann auch den zweiten Satzverlust (2:6) nicht mehr abwenden. Die Zuschauer gröhlen, freuen sich darauf, Zeugen einer Sensation zu werden.
Aber sicher ist noch nichts – wir wissen ja, zu was der Serbe fähig ist, wenn er sauer ist. Als die Stimmung letzten Sommer in Wimbledon-Final provokativ einseitig für den Schweizer Rasenkönig kippte, peitschte ihn das nur auf. Am Ende wehrte er zwei Matchbälle ab, als Federer zum Match servierte und gewann. Er habe sich vorgestellt, die Menge rufe seinen Namen, nicht Federers, erklärte er später seine Coolness.
Und es soll auch dieses Mal nicht anders kommen. Ein Djokovic ist erst mit dem letzten Punkt geschlagen. Während Thiem, der auf seinem Weg in den Final sechs Stunden mehr (18:24 Std) auf dem Platz stand als sein Gegner (12:29 Std), allmählich die Puste ausgeht, findet der 16-fache Grand-Slam-Sieger wieder die Konzentration und dreht auf. Ein Break genügt ihm, um mit dem 6:3 einen fünften Satz zu erzwingen. Und den gewinnt er nicht ganz überraschend nach vier Stunden mit 6:4.
Djokovic brüllt seine Anspannung aus. Thiem hat ihn mental wie körperlich an die Grenzen gebracht. Aber letztlich ist sein 8. Aussie-Open-Sieg Tatsache. Der 17. Grand-Slam-Titel ebenfalls – womit Djokovic nur noch zwei Titel von Nadal und drei von Federer entfernt ist. Dass er der aktuell Heisseste der in die Jahre gekommenen Top-3 ist, bestätigt er auch im Ranking. Mit dieser Titelverteidigung stösst er den Spanier wieder vom Tennis-Thron und besetzt in seiner 276. Woche die Nummer-1-Position. Damit greift er nicht nur Roger Federers Rekord an Major-Titeln (20) an, sondern auch dessen 310 Wochen als Nummer 1.
Sein unbändiger Erfolg führt Djokovic auf seine schwere Kindheit zurück. Aufgrund der Kriegssituation, die in Serbien herrschte, lernte er früh zu kämpfen. «Ich musste für lebensgrundlegende Dinge wie Brot, Milch und Wasser anstehen. Wenn man solche Sachen durchlebt, macht einen das stärker und man wird hungriger nach Erfolg. Immer wenn ich an diese Zeit zurückdenke, motiviert mich das ungemein», sagt der Serbe an der Pressekonferenz.
Grosse Worte von den Finalisten
Grosse Klasse zeigen die beiden Tennis-Stars nicht nur mit dem Racket, sondern auch mit ihren Siegesreden. Denn bei der Ehrung gedenken sie weniger sich selbst als anderer. Nachdem er seinem Bezwinger gratuliert, erinnert Thiem daran, dass «dieser beste Sportevent der Welt» zwar eine gute Abwechslung, aber angesichts der Buschfeuer längst nicht das Wichtigste sei. «Ich hoffe, dass dieses fantastische Land nie mehr mit solch einem Desaster konfrontiert wird, und die Menschen hier wieder auf die Beine kommen.»
Djokovic widmet seine Rede dann einem anderen tragischen Ereignis: dem Tod von Kobe Bryant und seiner Tochter. Mit grossen Buchstaben KB auf seiner Trainerjacke sagt er: «Das zeigt uns, wie bewusst und demütig wir solche Momente nehmen sollten.»