BLICK: Roger Federer, was erwarten Sie vom Playoff-Duell gegen Holland?
Roger Federer: Wir sind zuversichtlich, weil wir Stan in meinem Team haben. Wir sind das gleiche Team wie im letzten Jahr. Ein Sieger-Team. Dazu spielen wir in der Arena, in der wir Halbfinal und Viertelfinal gewannen. Darum sind wir auch klarer Favorit.
Aber eigentlich geht es um nichts.
Das sehe ich nicht so. Im Tennis geht es immer um etwas. Wir freuen uns enorm zurückzukommen und hoffen, dass viele Fans kommen. Ich weiss, dass es schwierig wird, weil die Leute denken, dass es um nichts geht. Aber für uns ist es gigantisch, wenn viel Publikum kommt.
Sie haben eine halbe Stunde nach der Auslosung zugesagt, warum?
Ich sehe es als das Jahr nach dem unglaublichen Triumph. Das noch einmal in Genf erleben zu dürfen mit Stan, Seve und der Mannschaft, ist grossartig. Wir wissen ja auch nicht, wie es weitergeht. Kein Mensch weiss das. Es könnte für längere Zeit das letzte Heimspiel sein.
Ist es Ihre Abschiedsvorstellung?
Ich sehe es nicht als Abschluss. In einem Traumszenario hätte ich nach Lille aufgehört.
Haben Sie ernsthaft mit diesem Gedanken gespielt?
Ja, aber ich wusste, dass es wegen der Olympischen Spiele nicht geht. Es kann sein, dass ich weiterspiele. Aber im nächsten Jahr wird es sicher schwierig, auch noch im Davis Cup zu spielen. Und wer weiss schon, was Ende 2016 oder 2017 ist.
Sie haben zu Beginn des Jahres gesagt, dass der Davis Cup für Sie oft eine Belastung war...
...und es geht damit ja genau gleich weiter mit dieser Frage, ob ich spiele oder nicht. Es zieht sich wie ein roter Faden durch meine Karriere.
War es ein Befreiungsschlag, das einmal so zu sagen?
Ich habe es nicht so gemeint, dass mich das immer gestört hat. In den ersten fünf, sechs Jahren habe ich etwa vier Captains erlebt. Das war sehr anstrengend, aber ich muss sagen, dass es mich als Spieler weitergebracht hat. Es ist nicht alles negativ gewesen. Und auch das Negative sehe ich heute positiv.
Aber nicht die ewige Frage, ob Sie spielen oder nicht.
Ich verstehe ja, dass ich Antworten geben muss, aber man weiss einfach nie, wo als Nächstes gespielt wird. Cilic muss nach Brasilien, Nadal nach Dänemark, wir nach Genf, also haben wir diesmal Glück gehabt. Der Davis Cup macht alles unsicher, und es ist schwierig, mit dieser Unsicherheit umzugehen.
Gerade weil Sie Familie haben und gerne vorausplanen.
Ich arbeite gerne organisiert, achte auf die Gesundheit. Ich bin flexibel, aber es ist schwierig, den Davis Cup zu gewinnen, die Nummer 1 zu werden, Grand-Slam-Titel und Masters-Turniere zu gewinnen. Und dann wirst du kritisiert, wenn du in Dubai im Final verlierst.
Wie sehr stört Sie das?
Ich kann es nicht immer allen recht machen. Und wenn ich es versuche, dann mache ich es mir auch nicht recht. Egal, was ich mache, ich bin immer in der Zwickmühle. Es war immer unser Ziel, den Davis Cup einmal zu gewinnen. Jetzt haben wir das geschafft, und es geht im gleichen Fahrwasser weiter.
Schön sind da sicher die Erinnerungen an den Final in Lille.
Wegen meiner Rückenprobleme war alles wahnsinnig intensiv. Am Sonntag, wo ich bei den World Tour Finals hätte spielen sollen, konnte ich nicht einmal rennen.
Was war der schönste Moment?
Die Atmosphäre, die wir hatten mit Stan, Seve, Marco, Michi und dem ganzen Staff, war unglaublich. Und weil es auswärts war, sind wir als Team näher zusammengerückt.
Und der Moment, als Wawrinka Ihre Tasche rausgetragen hat?
Stan kam nach meiner Niederlage zu mir und hat mich noch auf dem Platz gefragt, wie ich mich fühle.
Was haben Sie ihm geantwortet?
Es gehe mir besser, obwohl ich verloren habe. Er sagte: ‹Das ist alles, was wir brauchen.› Dann hat Stan meine Tasche genommen, und wir sind rausgelaufen.
Bei Ihrem Sieg am Sonntag gab es dann aber einen heiklen Moment.
Es hat mir im ersten Satz bei 4:2 eins in den Rücken gejagt. Ich sagte zu Seve: ‹Kannst du bitte Stan sagen, er solle sich sofort bereit machen, vielleicht schaffe ich es nicht, den Match fertig zu spielen.›
Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Ich dachte: ‹Muss das jetzt sein? Das kann ich nicht glauben.› Dann habe ich mir gesagt: ‹Okay, jetzt muss ich aggressiv spielen, keine langen Ballwechsel.› Ich habe dann unglaublich gespielt.
Und dann die grosse Feier...
... die Erleichterung war riesig. In der Kabine konnten wir es etwas geniessen. Marc Rosset freute sich, als hätte er selber gewonnen. Ganz speziell war die Reise nach Lausanne. Erst mit dem Flugzeug und dann mit dem Bus. Die Feier in Lausanne war total lässig, der Wahnsinn.