Sie liessen vier Satzbälle im Tie-Break des dritten Satzes ungenutzt. War das der Schlüssel zur Niederlage?
Roger Federer: Das ist schwierig zu erklären. Sowas passiert. Ich denke nicht, dass ich schlecht gespielt habe. Es lief halt nicht für mich, manchmal braucht man auch etwas Glück, ein bisschen Magie dafür. Ich habe schon viele Tie-Breaks schlechter gespielt und dennoch gewonnen. Aber nicht nur diese Punkte machten den Unterschied. Es lag wohl an Del Potro. Er schaffte gute Dinge und ich half ihm gelegentlich dabei. Er war besser heute, speziell bei den Big-Points.
Ist es hinsichtlich des verpassten Halbfinals gegen Nadal besonders frustrierend?
Nein, ehrlich. Ich dachte kein bisschen über den Halbfinal nach. Ich war mit dem Kopf nur bei diesem Match. Ich wusste, dass es schwierig wird. Es war so oder so ein viel zu hartes Turnier für mich, um weit voraus zu denken. Irgendwie bin ich nur schon froh die Viertelfinals erreicht zu haben. Ich bin nicht zu enttäuscht, denn ich hatte dieses Jahr einen guten Lauf. Leider traf ich auf einen Typen, der heute besser war als ich.
Denken Sie die Nummer 1 soll einfach nicht sein?
Auch daran denke ich lustigerweise nicht. Ich beschäftige mich nur damit, wie es mir in den nächsten Stunden, Tagen, Wochen gehen wird. Aber ich werde ok sein. In dieser Verfassung hat Del Potro die besseren Chancen gegen Nadal als ich. Er verdient den Halbfinal mehr, kämpfte wie ein Löwe. Ich wäre mit einem eher negativen Gefühl in den Match gegangen, niemals so gut wie in Australien, Indian Wells oder Miami. Mein Zustand ist nicht gut genug, um dieses Turnier zu gewinnen. Also ist es besser ich bin out und jemand anderes hat die Chance. Ich muss das akzeptieren und damit werde ich leben können.
Sie sagten, sie seien nur schwer über die Final-Niederlage im 2009 hinweg gekommen...
Weil es damals ein grossartiger Sommer war. Nur die Zeit wird mir zeigen, wie es diesmal sein wird. Eine Niederlage ist immer enttäuschend. Schrecklich daran zu denken, jetzt die Koffer zu packen, heim zu reisen. Das ist kein lustiger Moment, es ödet einen Tennisspieler an. Viel lieber würde man jetzt bei einer Massage relaxen und über seine schönen Schläge nachdenken. Aber so sieht man erst mal das Schlechte. Es sollte wehtun und das tut es auch. Doch nach der Saison, die ich in meinem Alter hatte, werde ich mich schnell wieder fangen.
Kosteten die schwierigen ersten Runden zuviel Energie?
Das ganze fing schon mit der Vorbereitung an. So wie es lief, war ich von Beginn weg nicht in der richtigen Ausgangslage. Das führte dazu, dass ich mich nie ganz in Sicherheit fühlte. Und das führt halt zu Smashes ins Netz und Volleys ins Niemandsland. Juan Martin rief die grossen Shots ab, wenn er sie brauchte, deshalb verdient er den Sieg. Ich bin draussen, weil ich in drei Dingen nicht gut genug war: im Kopf, im Körper und in meinem Spiel. Es war nicht schlecht, aber ich kann es besser. Nicht, dass ich eine schlechte Einstellung hatte. Aber ich hatte nie das Gefühl wie in Wimbledon oder Australien, wo ich ganz frisch, hungrig und voller Lust antrat. Das machte definitiv mehr Spass.
War konkret der Rücken ein Faktor?
Ich will eigentlich nicht vom Rücken reden - dann nähme ich Delpo was weg. Ich servierte gut und ich spielte im Verlauf des Turniers immer besser. Ohne diese Besserung hätte ich das Turnier gar nicht gespielt. Der Rücken war heute Nacht kein Faktor. Aber alles in allem gesehen, hat er mich wohl an diesen Punkt geführt, indem er meinen Rhythmus verlangsamt hat. Wissen sie, eigentlich haben ja alle mit was zu kämpfen, an irgendwas zu beissen – ausser vielleicht Pablo Carreno Busta, der hier nur so durch cruiste. Nur ich hatte diese Situation mit Montreal und Cincinnati – leider muss ich deshalb immer darüber reden.
Wie geht es jetzt für Sie weiter?
Das Gute ist, dass ich jetzt endlich Pause habe. Daran dachte ich schon, als ich durch den Tunnel den Centre Court verliess. Ich habe viel gegeben, jetzt bin ich müde. Dann gehts weiter mit dem Laver Cup und der wird mich hoffentlich gut einstellen auf Shanghai, Basel, Paris und London. Ich habe im Moment nicht vor, meinen Plan zu ändern.
Sie legen also nicht wieder eine ganz grosse Pause ein?
Sicher mache ich eine Woche Ferien, aber dann beginne ich wieder in kleinen Schritten. Vielleicht zunächst in der Fitness mit Pierre Paganini. Es gibt keine sechswöchige Unterbrechung.
War es mit zwei Grand-Slam-Titeln trotzdem ein gutes Jahr für Sie?
Es ist noch nicht vorbei. Hoffentlich kommt noch mehr. Natürlich hatte ich ein wunderbares Jahr und alles, was noch kommt, ist ein Bonus. Das hier ist Teil des Spiels – ich kann nicht alles gewinnen. Klar bereue ich, weder in Cincinnati noch hier um die Nummer 1 kämpfen zu können. Es wäre toll gewesen, aber mir wird es auch ohne 1 gut gehen.