Halle, das ist ein unscheinbarer Ort im östlichen Westfalen. Die Umgebung ländlich und eher kleinbürgerlich. Halle, das ist Gerry Weber. Die Mode-Firma drückt der Gegend mit Lagern, Outlets, der Tennis- und Event-Arena ihren Stempel auf. Dadurch ist Halle auch Roger Federer. Elton John kam dreimal, Bryan Adams, Whitney Houston einmal. Federer seit 2000 schon 15 Mal.
Menschen-Schlangen bilden sich entlang der im Trottoir eingesetzten Hollywood-Sterne der hiesigen Sieger vor dem Eingang der «Gerry Weber Open». Gedrängel an den vielen Ständen mit Curry-Wurst, Lachs-Canapés, Weizenbier und Grauburgunder. Party bei der Musik-Bühne, wo mal Amy McDonald, mal Sportfreunde Stiller singen.
Ist der Jahrmarkt leer, gibts eigentlich nur einen Grund dafür: Roger Federer spielt auf dem Centre Court. Spielt er gegen den Deutschen Florian Mayer – umso besser. Der Titelverteidiger verliert (3:6, 4:6). Nicht schlimm. Es gibt Standing Ovations für den adoptierten Halbfinalisten, der nun den Russen Karen Chatschanow (ATP 38) erledigen soll. Sie bekommen hier nie genug von Siegen des achtfachen Schweizer Rekordsiegers.
«Das ist wohl so, weil ich Deutsch sprechen kann, ein bisschen wenigstens», erklärt sich Roger diese Lovestory lachend. «Ich spiele halt schon lange und erfolgreich hier, auch in Hamburg und Stuttgart.» Es habe wohl auch mit seinem Tennis zu tun. «In Deutschland schätzen sie die frühere Generation mit Edberg und Becker. Mit der einhändigen Backhand bilde ich eine Art Brücke zu den guten, alten Zeiten.»
Entsprechend wird Federer hier hofiert und verwöhnt. «Er ist unser Aushängeschild», sagt Turnierdirektor Ralf Weber, «wir sind stolz auf unseren einzigartigen, lebenslangen Vertrag mit ihm.» Roger leiste hier mehr als jeder anderer Spieler. Schüttele unzählige Sponsoren-Hände, unterschreibe endlos Autogramme für die Fans. Weber: «Roger fühlt sich offenbar wohl bei uns.»
Dieser bestätigt, schwärmt von der «Wohlfühl-Oase Halle»: «Es ist total nett, familiär und ruhig hier. Die Wege sind super kurz, ich brauche die ganze Woche keinen Transport. Bei anderen Turnieren hockst du bis zu drei Stunden im Auto vom Stadion bis ins Hotel.» Hier wohnt Federer im Sportpark Hotel gleich auf der Anlage. «So verliere ich keine Zeit und bin total entspannt.»
Die gewonnene Zeit nutzt er für Waldspaziergänge, wenn Frau Mirka und die vier Kinder dabei sind. Wenn er wie jetzt alleine ist, zum Flippern, Karten spielen, Fernsehen, Telefonieren oder für Meetings. Von der Terrasse seiner Suite im obersten Stock blickt er auf Court 1 hinunter. Lässt er sich dort blicken, dauert es nur Sekunden, bis die Fans unter ihm für Fotos ihre Handys zücken.
Alles Roger – er zeigt keine Berührungsängste mit dem Fussvolk. Er schlendere sogar gerne nah durch die respektvollen, freundlichen Menschen. «Anderswo wirst du nur vorbei geschleust.» Hier pilgerten viele seiner echten, eingefleischten Fans hin. Auch viele Schweizer, obwohl Halle 650 Km von der Grenze entfernt ist. «Sie wissen, hier sehen sie viel Roger. Die Chance ist immer gegeben.»
Sperrzone für die Menge sind eigentlich nur die ruhig gelegenen Trainingsplätze nebenan. Der Weg dorthin führt über die Roger-Federer-Allee, die 2012, vier Jahre vor dem Pendant in Biel, eingeweiht wurde. «Eine grosse Ehre, die Verbundenheit ausdrückt», sagt Roger. «Es ist total lustig: Du gibst meinen Namen im Navi ein und das findets!» Die Adresse: Gerry Weber Stadion, Roger-Federer-Allee 4. In Halle ist eben alles Roger.