Richtig ausgelassen jubeln will und kann Roger Federer aus Respekt vor den Briten nicht. Als Murrays Vorhand nach zwei Stunden und sieben Minuten seitlich ins Aus segelt, ballt er die Faust, blickt zu seinen tobenden Leuten auf der Tribüne. Dem Rest der Menschen auf dem Centre Court verschlägt es nach dem Matchball die Sprache. Später am Abend dürfte so manchem Engländer auch der Barbeque-Spiess im Hals stecken geblieben sein.
Beim fachkundigen Publikum weicht die Enttäuschung bald der Bewunderung. Der schottische Tennis-Held wird vom 33-jährigen Schweizer regelrecht ausgetrickst. Murray spielt grandios, Wimbledon-König Federer geradezu übermächtig. Sogar der Verlierer selbst wirft sich nicht viel vor. «Ich denke, dass ich nicht schlecht gespielt habe», so Murray, «das war vielleicht meine beste Niederlage überhaupt, wenn man das so sagen darf.»
«Majestätisch, kaiserlich, ein Rasengott» suchen die Experten weitere Superlative für King Roger. Auch John McEnroe, Nick Bollettieri, Pam Shriver – sie alle trauten ihm den grossen Schlag im Murray-Reich nicht mehr zu. Nur Rod Laver, der neben Björn Borg, Boris Becker, Thierry Henry und Sir Alex Ferguson in der Royal Box sitzt, glaubte unbeirrt, dass der siebenfache Champion zum zehnten Mal in den Final einzieht. Und Andy Roddick räumte ein, dass der Rasen-Gott alle schlagen würde, wenn er weiter mit über 70 Prozent erster Aufschläge servieren würde.
Federer platziert 20 Asse, 76 Prozent der First Serves ins Feld – unfassbar gut diese Quote! «Diesbezüglich einer meiner besten Matches», sagt Roger, der die Anerkennung dafür nach Verlassen des Centre Courts spürt. «Der Applaus der Gäste – meine, aber auch die aus der Royal Box – begleitete mich bis in die Garderobe. Alle waren so happy für mich. Das gab es in dieser Form noch nie. Vielleicht weil keiner weiss, wie oft ich so eine Final-Chance noch bekomme.»
Das weiss nur die Zukunft. In der Gegenwart aber ist Federer nur noch einen Schritt von der Ewigkeit entfernt. Vom achten Wimbledon-Titel, den vor ihm noch niemand erreichte. Der Rekordmann spielt dies allerdings herunter: «Ob es um den ersten oder achten Sieg geht, ändert für mich nicht viel. Jeder Final in Wimbledon ist ein grosser Moment. Es braucht noch ein Match – ein gutes Gefühl.»
Es braucht «nur» einen Sieg gegen den Weltbesten Novak Djokovic. Der wollte sich nach seinem glatten 7:6, 6:4, 6:4 über Wawrinka-Bezwinger Richard Gasquet (Fr) den anderen Halbfinal ansehen und geniessen. Vielleicht hätte der Djoker ein Replay seines letztjährigen Wimbledon-Finals mehr genossen. Damals vereitelte er in einem Fünfsatz-Krimi den 18. Grand-Slam-Coup des Schweizers.
Doch der heutige Federer ist besser. Er isch s’Zähni!