BLICK: Haben Sie schon einmal gezählt, wie viele Nächte Sie im Hotel verbringen?
Stan Wawrinka: Nein, aber es sind sicher neun bis zehn Monate im Jahr, die ich unterwegs bin.
Gefällt Ihnen dieses Leben als Reisender?
Ja, als junger Spieler habe ich immer davon geträumt, alle diese grossen Turniere zu spielen. In schöne Städte zu reisen, neue Orte zu entdecken.
Nervt die Reiserei auch manchmal?
Klar, das kommt vor. Manchmal wäre ich gerne mehr zu Hause in der Schweiz, aber im Moment ist das mein Leben. Tennis ist ein sehr extremer Sport.
Sie haben hier in London ein Appartement gemietet, warum?
Das vereinfacht die Dinge. Es sind zehn Minuten zu Fuss, wenn es regnet, kann ich auch nach Hause.
Können Sie noch irgendwo ungestört einen Kaffee trinken gehen?
Das kommt darauf an, wo es ist. In der Schweiz erkennen mich die Leute zwar, aber sie sind sehr freundlich und angenehm. Das schätze ich sehr.
Wie verbringen Sie die Abende?
Das ist ganz verschieden. Zunächst bin ich beim Physio, dann schauen wir, was wir essen. Ich mag es ruhig.
Sie sind der Barbecue-König hier.
Das liebe ich. Ich koche sehr gerne.
Was fehlt Ihnen, wenn Sie unterwegs sind?
Ich wohne in guten Hotels, das ist klar. Aber manchmal vermisse ich meine Tochter, und ich wäre gerne bei ihr.
Was bedeutet Ihnen die Schweiz?
Sie ist meine Heimat. Der Ort, wo ich aufwuchs. Das Land, für das ich Davis Cup spiele. Sie ist mir sehr wichtig.
Sie sprechen sehr offen über Nervosität und Ihre Gefühle auf dem Platz, wieso?
Das ist ganz einfach: weil ich nichts zu verstecken habe.
Wann haben Sie das letzte Mal geweint?
Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, aber ja, das gibt es, und ich habe kein Problem damit.
Gibt es Dinge, die Ihnen Angst machen?
Nein, ich kenne keine Angst.
Ihnen gefällt es, sich neuen Situationen auszusetzen.
Ich mag Herausforderungen. Ich habe schon viel Extremes ausprobiert, Fallschirmspringen zum Beispiel.
Gibt es etwas, das Sie noch ausprobieren möchten?
Ich würde gerne einmal auf einer Rennstrecke fahren. Aber bisher fehlte mir dazu leider die Zeit.
Severin Lüthi sagt über Sie, dass Sie sehr streng mit sich seien. Wie gehen Sie mit Fehlern um?
Ich bin generell sehr hart mit mir, verlange viel von mir. Ich versuche, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um mich zu verbessern.
Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?
Man kann immer Dinge anders machen, aber diese Frage stelle ich mir nicht. Vielmehr konzentriere ich mich auf die Gegenwart.
Ist Magnus Norman heute mehr als nur ein Trainer für Sie?
Was wir miteinander erlebt haben, schweisst zusammen. Er ist sehr wichtig für meine Tennis-Karriere.
Wie ist er als Mensch?
Er ist sehr bescheiden und ehrlich. Ein guter Mensch.
Ist es schwierig, Freundschaften zu pflegen, wenn man so viel unterwegs ist?
Ja, es ist schwierig, aber gute Freunde muss man nicht jeden Tag sehen oder mit ihnen reden. Also geht das gut. Ich habe inzwischen auch auf der Tour gute Freunde, Roger zum Beispiel.
Sie haben sehr lange mit Dimitri Zavialoff zusammengearbeitet, wie gross ist sein Anteil an Ihrem Erfolg?
Er hat mich ausgebildet, mit ihm bin ich in die Top Ten gekommen, habe ich meine ersten Turniere gewonnen. Darum ist sein Anteil sehr gross, klar. Er steht mir sehr nahe.
Was unternehmen Sie an einem freien Tag mit Ihrer Tochter?
Das ist unterschiedlich. Ich bringe sie zur Schule, spiele mit ihr. Ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit ihr, wenn ich in der Schweiz bin.
Wie lange wollen Sie weiterspielen?
Wenn ich bis 35 spielen kann, wäre das schon toll. Aber wir werden sehen.
Können Sie sich auch eine Karriere als Doppel-Spieler vorstellen?
Nein, das denke ich nicht.
Martina Hingis hat Sie angefragt für das Mixed bei den Olympischen Spielen, gibt es dazu Neuigkeiten?
Nein, sie hat ja auch Roger gefragt. Das hängt also von ihnen beiden ab.
Können Sie sich auch vorstellen, in Rio de Janeiro mit Belinda Bencic oder Timea Bacsinszky anzutreten?
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.