Emotionen beim TV-Nachtvogel
Mona Barthel ist die heimliche Heldin von Melbourne

Die TV-Nächte werden härter. Es gibt in Melbourne täglich weniger Spiele – und die Männer treten jetzt kaum mehr vor 04.30 Uhr in Aktion. Fazit der Nacht: Murray scheiterte um 08.24 Uhr an Mischa Zverev – und Heldin Mona B. bewegt die Tennis Welt.
Publiziert: 22.01.2017 um 09:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:00 Uhr
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Mona Bartels musste vor einem Jahr krank aus Melbourne heimresien.
Foto: REUTERS
Roger Benoit

Das Protokoll. Es ist 01.16 Uhr, als die beiden Russinen Swetlana Kusnetsowa (32) und Anastasia Pawljutschenkowa (25) die Rod Laver Arena betreten. Ein Achtelsfinal zum Vergessen. Das Niveau ist fast unterirdisch, der Applaus von den Rängen erfolgt wohl nur aus Anstand.

68 Minuten Gähnen

Bei Eurosport bleibt man höflich: «Diese Partie haut die Zuschauer nicht richtig von den Sitzen!» Nach 32 Minuten hat Anastasia, die Nummer 24, den ersten Satz mit 6:3 gewonnen.

Wir müssen nochmals 36 Minuten leiden, bis die frühere Grand Slam-Siegerin Swetlana (USA 2004 und Frankreich 2009) auch den zweiten Satz mit 3:6 abgeben muss. Das schnelle Ende der Nummer 8 vom Turnier und ein Scheck über 220 000 australische Dollars (rund 170 000 Franken). Na ja, sie hat ja bereits über 21 Millionen Dollar an Preisgeld kassiert…

Männer-Doppel als Erholung…

Zwischendurch ein heimlicher Blick auf Eurosport 2, wo im Doppel-Achtelsfinal die als Nummer 1 gesetzten Franzosen Herbert/Mahut beim Stande von 4:6 und 4:5 drei Matchbälle abwehren können – und dann im dritten Satz (6:2) Inglot/Mergea (Gb/Rum) doch noch besiegen.

Was für eine rührende Story

Inzwischen hat um 02.50 Uhr in der Rod Laver Arena ein Spiel begonnen, das man als emotionalstes Märchen 2017 bezeichnen muss. Da die «alte Dame» des Tennissportes, Venus Williams (36). Und auf der Gegenseite die zehn Jahre jüngere Mona Bartels, die vor einem Jahr krank aus Melbourne heimgereist war.

Sie konnte kaum noch atmen und gehen, lag sieben Wochen im Bett – und kein Arzt fand heraus, was wirklich los ist. Dass beide Eltern noch an Krebs erkrankt sind, macht diese rührende Story zum Spiel der siebten TV-Nacht.

Das siebte Spiel für Mona B.

Für Mona Bartels war es bereits der siebte Einsatz in Melbourne nach drei Qualifikationsrunden – und jetzt winkte dem immer noch gezeichneten Mädchen aus Deutschland der Einzug in die Viertelfinals und ein Preisgeld von 340 000 Franken! Die Eurosport-Reporter bringen den Match in den nächtlichen Europa-Stunden gut rüber. Endlich mal kein Geschrei, sondern sanftes Kommentieren. Und irgendwie leiden wir ja alle mit Mona.

Hatte auch Venus Mitleid?

Doch nach 42 Minuten hat Venus, im Jahr 2002 die Nummer 1, den ersten Satz trotz vieler Fehler 6:3 gewonnen. «Man hat Mona richtig gesagt: Du hast gegen Venus igentlich keine Chance – also nutze sie!»

Und Barthel führt im zweiten Abschnitt schon 5:4, als Venus endlich realisiert, dass da wieder eine genesese Spielerin auf dem Platz steht. Mona verlässt auch etwas das Glück – und Venus Williams gewinnt 7:5. «Ein grosser Aplaus für Mona Barthel.» Wir klatschen mit. Wie das Publikum.

Und wie geht es Barthel wirklich? «Ich bin okay und glücklich, dass ich wieder spielen kann. Die Ärzte sind jetzt ziemlich sicher, dass es ein Virus war, der Einfluss auf mein Muskel- und Nervensystem hatte.» Viel Glück, Mona.

Achtung auf die Zverev-Brothers

Das andere deutsche Märchen? Der Höhenflug der Zverev-Brothers Alexander (19, zwang Rafael Nadal am Samstag in einen fünften Satz) und Mischa (29). Der ist zwar erst in den Top 40 angelangt, doch auch er trieb einen Superstar zum totalen Wahnsinn.

Um 04.48 Uhr hatte sein Spiel gegen die Nummer 1, Andy Murray (29), begonnen. Nach 63 Minuten hatte der Deutsche unter den Augen von Bruder Alexander den Schotten mit 7:5 gedemütigt. Nach über zwei Stunden stand es dann 7:5, 5:7.

Murray brüllte nur herum

«Die Chancenausswertung ist eine Katastrophe. Ich glaube, der Murray hat in seiner ganzen Karriere in zwei Sätzen noch keine fünf Aufschlagspiele verloren. Er ist genervt, frustiert und jetzt ärgerlich. Irgendwie verstehe ich Murray sogar, von seiner Box kommt kaum ein Lebenszeichen!»

Und so holte sich der ungesetzte Zverev (sein Bruder war die 24) den dritten Satz sensationell glatt mit 6:2. Da war es 07.30 Uhr. Doch der TV-Nachtvogel hielt durch. Denn Zverev ging im vierten Satz mit 2:0 und 4:2 in Führung. Der Schotte brüllte nur noch herum, fand gegen das sanfte Spiel des Deutschen kaum eine Antowort.

Bis zum bitteren Ende nach drei Stunden und 34 Minuten mit 5:7, 7:5, 2:6, 4:6. Nach Djokovic muss also auch Murray nach Hause. Mischa Zverev nach der Sensation über seinen nächsten Gegner: «Gegen Roger Federer im Viertelsfinal zu spielen, wäre einer meiner grössten Träume. Aber Nishikori ist natürlich auch ein Superstar...»

Melbourne hat also vor den Viertelfinals bereits die Nummer 1 und 2 verloren!

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