Im Frauen-Tennis wirds nicht langweilig: Nach Naomi Osaka hier vor einem Jahr, Ashleigh Barty (Paris), Simona Halep (Wimbledon) und Bianca Andreescu (US Open) gibt es wieder eine neue Grand-Slam-Siegerin. Und nach Serena Williams, die ihren 24. Major-Titel verpasste, und Sloane Stevens wieder einmal eine Amerikanerin: Sofia Kenin – 21 Jahre jung und Weltnummer 15, aus Russland in die USA, nach Florida ausgewandert. Kämpferisch erinnert sie etwas an Maria Scharapowa. Und sie wurde so früh als Wunderkind gefeiert wie Martina Hingis.
Während die Schweizerin mit 16 Jahren hier in Melbourne ihren ersten von fünf Einzel-Grand-Slam-Titeln gewann und später die jüngste Weltnummer 1 der Tennisgeschichte wurde, dauerte es bei der in Moskau geborenen Kenin doch noch ein Weilchen länger. Egal, Hauptsache der grosse Moment kommt eines Tages. Und mit dem Final der Australian Open ist er nun – ein bisschen wie aus dem Nichts – gekommen.
Aufgefallen ist Kenin im Frauen-Tableau der Aussie Open erst durch ihren Sieg über die 15-jährige Langsfrau Cori Gauff. Bestätigt hat sie ihre Mission, indem sie Weltnummer 1 und Lokalheldin Ashleigh Barty ausschaltete. In einem knapp über zwei Stunden dauernden, emotionalen Kampf ringt die temperamentvolle Sofia Kenin nun auch ihre Final-Gegnerin Garbine Mugurza nieder.
Die Spanierin, die aus Paris (2016) und Wimbledon (2017) schon zwei Major-Pokale nach Hause stehen hat, war nicht minder überraschend in den Final gekommen. 2019 stürzte sie im Ranking auf Platz 32 ab, niemand hatte sie als Mit-Favoritin auf der Rechnung. Doch dank dem Wieder-Engagement ihrer früheren Trainerin Conchita Martinez und eine kopflüftenden Besteigung des Kilimandscharo hat Muguruza wieder zurück auf die Spur gefunden.
Kenin: «Träume werden wahr»
Für die wild entschlossene Sofia Kenin reichte es jedoch nicht. Nachdem die Spanierin den ersten Satz mit 6:4 gewinnt, hat sie der Amerikanerin nicht mehr viel entgegenzusetzen. Rückenprobleme, die sie nach dem Verlust des zweiten Satzes mit einer Behandlung im Time-Out zu beseitigen versucht, machen ihr das Leben noch schwerer. Und es ist kein Zufall, dass sie das Match mit ihrem achten Doppelfehler zu ihren Ungunsten beendet.
Kenin hingegen vollendet das 4:6, 6:2, 6:2 so cool, wie sie auch am Mikrofon ihre erste Siegesrede hält. Keine Tränen, keine übertriebene Gesten oder Feier mit ihrem Team. Nur eine Botschaft, die sie sehr ernst zu meinen scheint: «Mein Traum ist heute offiziell wahr geworden», so Sofia, «denn Träume werden wahr. Wenn ihr also auch einen habt, versucht es!»