John McEnroe ist unbestrittener Kenner der Szene. Die im Februar 60 Jahre alte US-Legende begeistert mit seiner frechen Expertise als TV-Kommentator und unterhaltsamen Interviews mit den Siegern auf dem Court.
Doch heute vor einer Woche hat «Big Mac» etwas gesagt, das nicht allen gefiel. Zumindest nicht Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic. Die Zeit der Wachablösung sei gekommen, verkündete er inspiriert durch Roger-Schreck Stefanos Tsitsipas. Der 37-jährige Schweizer reagierte gereizt: «Ich liebe John. Aber er sagt immer solche Sachen. Ich höre das jetzt schon seit mehr als zehn Jahren.»
Nur, weil er im Achtelfinal knapp verlor, hat sich aus Federers Sicht noch nicht viel an der Hierarchie im Männertennis geändert. Und der heutige Final der Australian Open bestätigt ihn. Der 31-jährige Novak Djokovic und der 32-jährige Rafael Nadal haben sich mit erschreckender Dominanz durchgesetzt. Nicht die Youngsters.
Tsitsipas stützt McEnroes These am ehesten
Shapovalov (Ka), Chatschanow (Russ), De Minaur (Aus) und Fritz (USA) – sie schafften es nicht über Runde 3 hinaus. Medwedew (Russ) und Zverev (De) zogen in die Achtel-, Tiafoe (USA) immerhin in die Viertelfinals ein. Der Grieche Tsitsipas (20) stützt mit dem Halbfinal-Einzug McEnroes These des Generationenwechsels noch am meisten.
Federer warf einen, Djokovic zwei und Nadal drei der jungen Wilden aus dem Grand-Slam-Tableau. Deren Zeit wird kommen, keine Frage. Vielleicht auch schon 2019 an einem der nächsten Majors. Jedoch wohl kaum in Roland Garros – bleibt Sandkönig Rafa gesund, kann dort der Weg zum Sieg eigentlich nur zum zwölften Mal über ihn führen.
Die spanische Weltnummer 2 hat ihr Spiel dem fortgeschrittenen Alter angepasst. Mit effektiverem Service versucht Nadal, die Abnützung seines geschundenen Körpers zu reduzieren. Die serbische Weltnummer 1 macht es umgekehrt. «Ich passe mein Alter dem Spiel an. Das ist gleich geblieben», sagt der penibel auf gesunde, glutenfreie Ernährung achtende Asket Djokovic. «Ich spüre nicht, dass mein Körper überstrapaziert wird.»
Letzte neun Majors von Ü30-Spielern gewonnen
Die Tennis-Evergreens Federer, Nadal und Djokovic sind massgebend für die steigende Alters-Kurve der Grand-Slam-Champions in den letzten zehn Jahren verantwortlich. Deren Durchschnittsalter lag 2009 noch bei 24, 2018 bei 32. Der Schnitt der letzten fünf Jahre liegt bei 30 Jahren und 140 Tagen.
Die letzten neun Majors wurden von Ü30-Spielern gewonnen. Alle von genannten drei Musketieren – als Ausnahme gesellt sich Stan Wawrinka mit dem US-Open-Sieg 2016 als 31-Jähriger dazu. Der letzte Grand-Slam-Sieger unter 30 ist Andy Murray, beim Wimbledon-Sieg 2016 war der Schotte aber auch schon 29 Jahre alt. Und er ist auch der Letzte unter 25. Als er 2012 in New York seinen ersten von drei Major-Titeln holte, war Murray 24 Jahre und 270 Tage alt.
Der 14-fache Grand-Slam-Champ Djokovic und der 17-fache Nadal treffen zum 53. Mal aufeinander – das ist Rekord. «Wir hatten viele epische Matches. Die haben mich zum Spieler gemacht, der ich heute bin», erklärt der Djoker, der in Siegen mit 27:25 knapp führt und mit dem siebten Aussie-Open-Sieg eine neue Bestmarke erreichen will.
Dass die heutigen Tennis-Grössen Geheimratsecken haben, ist nicht nur technischer Entwicklung und neuen Kenntnissen im Fitness- und Ernährungsbereich zu verdanken. Es ist auch die Konsequenz aus jahrzehntelanger Rivalität unter Superstars einer einzigartigen Tennis-Epoche. McEnroe, in den 80ern selbst Held einer gloriosen Ära, sollte das wissen.