Seine Aktionen sind zahllos und seine Qualitäten als Unterhalter unbestritten. Bei den US Open tanzt Djokovic mit einem Fan auf dem Platz zu den Klängen des Party-Hits «Gangnam Style». Regelmässig nimmt er an Kindertagen teil.
Zwei Tage vor dem letzten Grand-Slam-Turnier marschiert er mit einer Mickey Mouse aus Stoff über die Anlage. «Ich bringe heute meinen Freund mit», sagt er an der offiziellen Pressekonferenz. Vor drei Jahren setzte er sich nach seinem bislang einzigen Sieg bei den US Open ein Baseballcap der New Yorker Feuerwehr auf – aus Solidarität, wie er sagt.
«Die Vogelgrippe, SARS, Anthrax, ein Husten?»
Das alles sind die Aktionen eines grossen Sportlers. Obwohl er fast jeden Match gewinnt und zahlreiche Fans auf der ganzen Welt hat, geniesst er noch immer nicht das gleiche Ansehen wie Roger Federer oder Rafael Nadal.
«Er ist der Bösewicht, der nichts falsch gemacht hat», sagt Tennis-Legende John McEnroe. Bei Djokovic, der um die Anerkennung, den Respekt und die Liebe des Publikums ringt, sitzt der Stachel tief. «Ich weiss, dass ich nie so beliebt sein werde wie Roger oder Rafa», sagt er.
Die Gründe dafür sind vielfältig und meist auch nicht taufrisch. Als junger Emporkömmling erlaubte sich der Serbe immer wieder Aussetzer, gerade bei den US Open. Seine vielen Pausen wegen Verletzungen stiessen bei Publikum und auch Gegnern auf Unverständnis.
«Rückenschmerzen, Hüftschmerzen? Ein Krampf? Die Vogelgrippe, SARS, Anthrax, ein Husten», nervt sich Andy Roddick 2008. «Entweder er ruft etwas gar schnell nach Pflege, oder er ist der mutigste Spieler aller Zeiten.»
Djokovic schaltet den Publikumsliebling aus und wird danach im Platzinterview gnadenlos ausgepfiffen, weil er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen kann.
«Andy hat gesagt, dass ich im letzten Match 16 Verletzungen hatte. Offensichtlich habe ich sie nicht», sagte die heutige Weltnummer 1. Danach kommt es in der Kabine fast zu einer Schlägerei.
Auch die Imitationen von Nadal, Federer oder Scharapowa, die Djokovic in früheren Jahren jeweils zeigte, kommen nicht bei allen gut an.
Obwohl Djokovic diese Aktionen inzwischen unterlässt, sind es Dinge, die das Publikum bis heute nicht vergessen hat. Ein Publikum, mit dem sich der Serbe auch gerne einmal anlegt.
«Ihr könnt mir einen blasen», schimpfte er vor zwei Jahren über das vermeintlich parteiische Publikum.
Jubelt es bei Punktgewinnen von Federer frenetisch, quittiert das der Serbe gelegentlich mit einem höhnischen Kopfnicken. Werden seine Fehler beklatscht, reagiert er genervt. Obwohl das meist nur darum geschieht, weil der Gegner als Aussenseiter einen Sonderbonus geniesst.
«80 Prozent seiner Zeit verbringt Djokovic damit, seine Gegner zu zerstören. 20 Prozent damit, die Liebe des Publikums für sich zu gewinnen», scherzte John McEnroe während Wimbledon.
Es ist ein Unterfangen ohne Aussicht auf Erfolg. Das liegt aber nicht nur an ihm, sondern vor allem an Roger Federer und Rafael Nadal. Sie haben mit ihrer Bescheidenheit und ihrem Fokus auf den Sport die Werte im Tennis des letzten Jahrzehnts massgeblich mitgeprägt.
Und es ist ein Schema, in das Unterhalter Novak Djokovic nicht so richtig zu passen scheint. Er kann in einer Woche mit seinem zweiten Sieg bei den US Open seinen insgesamt 10. Grand-Slam-Titel feiern. Als beliebtester Spieler seiner Zeit wird Djokovic aber nie in die Annalen eingehen.