Seine Worte sind nicht so geschliffen wie jene von Roger Federer. Seinen durchaus vorhandenen Schalk lässt er nur selten aufblitzen. Er ist kein Unterhalter wie Novak Djokovic. Oft wirkt er verletzlich, reserviert gar. Mit dem Scheinwerferlicht zu leben, daran musste sich Stan Wawrinka erst gewöhnen, wie er selber einst zugab.
Steht er aber auf dem Tennisplatz, heizt Stan Wawrinka die Zuschauer an. Verblüfft mit Rückhandpeitschen und feinem Händchen. Keiner jubelt lauter über wichtige Punkte als er. Keiner markiert sein Revier vehementer.
Besonders gegen Djokovic, selbst ein Meister der psychologischen Kriegsführung, wird das augenscheinlich.
In New York liefert Wawrinka ein Musterbeispiel für diese These ab. Als er nach vier Stunden als Sieger feststeht, zerreisst er nicht sein T-Shirt. Er schreit nicht seine Freude in die Luft. Kein Lächeln. Ungläubig schliesst er die Augen. Auch im Moment des grössten Erfolgs ist Wawrinka eine Ausnahmeerscheinung.
Erst später, bei der Siegerehrung, wird er von den Gefühlen übermannt, verdrückt ein paar Tränen.
Lange haben sich die Zuschauer schwer getan, Wawrinka ins Herz zu schliessen. Eben weil er reserviert wirkt. Launisch. Weil er flucht. Und manchmal Gegnern unterliegt, die er an guten Tagen mit verbundenen Augen schlagen würde. Aber auch hier gilt die Losung: Erfolg macht sexy. Und davon hatte Stan Wawrinka in den letzten Jahren viel.
Introvertiert, auf einem Bauernhof in der Waadt aufgewachsen. New York, das war einst eine Tortur für ihn. Aber Wawrinka ist gewachsen. Als Spieler, aber eben auch als Mensch.
Aber viel bemerkenswerter: Er, einst der Anti-Held, ist dabei immer sich selbst geblieben. Es ist sein wertvollster Erfolg. Und mehr wert als jede Trophäe. Und auch mehr wert als jeder Siegercheck.