Keiner kennt die Schweizer Stars, die derzeit Tennis-Geschichte schreiben, besser als er: «Seve» – Federer-Coach, Wawrinka-Mentor und Davis-Cup-Captain. Und wieder hat der wohl meist beschäftigte Mann im Tennis-Zirkus viel zu tun. Er freut sich mit Roger, tröstet Stan. «Aufregende Tage», bestätigt er gegenüber SonntagsBlick.
Das emotional Schlimmste, den historischen Halbfinal seiner beiden Freunde, hat er hinter sich. Lüthi spielt mit offenen Karten: «Solche Matches sind eklig für mich.» Nach einer Auslosung schaue er stets als Erstes, ob und wann Roger und Stan sich treffen können. «Einer verliert, das tut weh. Ich kann dann nicht richtig aus mir raus, ein Scheiss-Gefühl.»
Der erste US-Open-Final wäre für Wawrinka riesig gewesen. «Aber auch für Federer hat es seinen Reiz, nach dem 18. Grand-Slam-Titel greifen zu können», untertreibt Lüthi.
Heute kann der diplomatische Tausendsassa wieder voll hinter seinem Spieler stehen. Final-Rivale Novak Djokovic war gegen Halbfinalist Marin Cilic der haushohe Favorit. Das ist er heute nicht mehr. Der Schock, am letzten Turnier in Cincinnati von Federer und dessen neuen Überraschungs-Attacken überrumpelt und entzaubert zu werden, dürfte der serbischen Weltnummer 1 noch in den Knochen stecken.
Lüthi, der Namensgeber des «Sabr», hat für seinen 34-jährigen Arbeitgeber nur Staunen übrig. «Unfassbar, wie viel Freude er am Tennis hat und wie gut er noch spielt. Er macht sehr viel dafür.» Wie lange noch? Dieser Frage weicht der Berner aus. «Der Erfolg ist nie garantiert. Es gehört enorm viel dazu. Auch ein Djokovic weiss nicht, wie lange ihm noch alles aufgeht.»
Lüthi deutet es aber immer wieder als positives Zeichen, wie motivationsfähig Federer noch ist. «Roger ist Spezialist darin, aus etwas Inspiration für die Zukunft zu holen. Sicher ist auch Stan ein positiver Ansporn für ihn.»
Kommt hinzu, dass Federer nicht nur körperlich ökonomisch wirtschaftet, sondern auch mit den mentalen Ressourcen gut haushaltet. «Kaum einer ist so entspannt vor grossen Matches wie er», erzählt Lüthi. «Roger kennt sich selbst so gut – selbst vor dem Final braucht es viel, bis man ihm auf die Nerven geht.»
In der Garderobe werde viel unter Spielern und Coaches beredet, werden Tipps ausgetauscht. «Das wäre im Hockey undenkbar», sagt Lüthi und lacht, «die haben getrennte Kabinen, könnten sich niemals vorstellen, mit den Gegnern zu reden und zu lachen. Roger und Stan hatten in New York die Garderoben-Kästen fast nebeneinander, ein Schwatz lag da selbst vor dem Duell noch drin.»
Aber nicht jeder Spieler funktioniere gleich. Als Coach brauche es deshalb viel Gespür – eine Stärke von ihm, sagt Lüthi. Tennis-Spieler müssten wegen Regen-Verzögerungen oder weil die vorher angesetzten Spiele länger dauern können, extrem flexibel sein. «Damit musst du locker umgehen können und deinen eigenen Rhythmus finden. Wir sagen immer, wir müssen trotz allem noch normal leben!»
Nicht zu früh, aber rechtzeitig einspielen, dass noch Zeit für Dusche, Tapen und erneutes Aufwärmen bleibt. «Wenn wir nicht knapp dran sind, schauen wir nochmals das letzte Match an, reden darüber. Dann essen wir meist Teigwaren und Salat, oder Poulet mit Reis. Schläger und Getränke stehen schon parat, damit es jederzeit losgehen kann.»
Heute um 22 Uhr ist die Stunde der Wahrheit. Seve hat getan, was er konnte, den Rest muss Roger richten. Ein weiterer Grosserfolg sei es schon jetzt, der Rest zum Geniessen. Auch Lüthi selbst kann auf der Tribüne wieder parteiisch und leidenschaftlich miteifern. Und vielleicht klopft ihm nach dem Final wieder Tennis-Legende John McEnroe auf die Schulter und sagt: «Hey Lüthi, super Tag für dich!»