«Ich freue mich auf den Match», hatte Belinda Bencic vor ihrem Australian-Open-Auftakt gegen Vorjahresfinalistin Venus Williams selbstbewusst und strahlend gesagt. «Für mich ist es cool, in der Rod Laver Arena eine neue Chance zu bekommen.» Keine Spur von Enttäuschung über das schwere Los, das ihr zum zweiten Mal in Folge zum Turnierstart eine Williams serviert.
Niederlage gegen Serena läutete schwarzes Jahr ein
Letztes Jahr stand ihr Tennis-Domina Serena gegenüber – Bencic verlor 4:6, 3:6 und die Niederlage gegen die spätere Turniersiegerin sollte ein schwarzes Jahr einläuten, in dem die Ostschweizerin aus den Top-100 purzelte, ihr Handgelenk schliesslich operieren und lange pausieren musste.
0:4 liegt sie auch gegen die ältere und mittlerweile 37-jährige Williams-Schwester Venus im direkten Duell zurück. «Es ist also Zeit, mal zu gewinnen», sagt die 17 Jahre jüngere Belinda kampflustig. Und einen Tag später gewinnt sie – vor den Augen von Roger Federers Eltern, die sie im Stadion unterstützen, gegen die amerikanische Weltnummer 5 nach 58 Minuten Spielzeit und einer kurzen Regenpause prompt ihren ersten Satz. Ein Break genügt für das 6:3.
Belinda und Venus liefern sich Break-Orgie
Unter dem geschlossenen Dach müssen sich beide Spielerinnen wohl erst einmal an die neuen, deutlich schwüleren und windstillen Bedingungen gewöhnen. Damit wäre zumindest die Break-Orgie zu erklären, die sich Belinda und Venus zu Beginn des zweiten Durchgangs liefern. Doch die Schweizerin, die ohne ihre Familie, nur mit Coach Iain Hughes und ihrem Hittingpartner nach Australien gereist ist, bleibt letztlich die Coolere auf dem Centre Court.
Während sie selbst ab 2:2 ihre Aufschläge alle souverän durchbringt, gelingt ihr am Ende eines spannenden und qualitativ äusserst hochstehenden Satz das finale Break zum 7:5. Belinda wirft fassungslos den Schläger in die Luft. Ihr erster Sieg über Venus Williams ist perfekt! Ihr Sieges-Geheimnis lüftet sie sogleich im Court-Interview: «Ich denke nicht über Siegen oder Verlieren nach, geniesse es einfach so sehr, wieder fit auf dem Platz zu stehen.»
Gefasst zeigt sich Verliererin Venus: «Ich spielte keinen schlechten Match. Aber Belinda war zu gut, schlicht beeindruckend. Da konnte ich oft gar nichts gegen machen.»
An der anschliessenden Pressekonferenz sagt Bencic über ihren Exploit: «Dieser Sieg bedeutet mir natürlich viel! Nach vier Niederlagen gegen Venus umso mehr. Ich habe vorher viel über diese nachgedacht. Ich denke, ich hatte stets zu viel Respekt. Dieses Mal wollte ich aktiver auftreten und taktisch cleverer spielen. Ich war zwar nicht begeistert über das Los, aber ich habe es angenommen, ohne zu viel darüber nachzudenken. Ich war der Underdog, fühlte mich nicht unter Druck und hatte nichts zu verlieren.»
Mit dem Erfolg über Venus schreibt Bencic persönliche Geschichte. Sie sagt weiter: «Dieser Sieg ist zwar anders, aber gleich wertvoll und speziell wie mein Sieg über Serena, die damals (2015) die Nummer 1 war. Nun bin ich eine der wenigen Spielerinnen, die beide Schwestern geschlagen hat – darauf bin ich schon stolz.»
Bencic läutete ihre Aussie Open 2018 mit einem Paukenschlag ein
Mit diesem Durchbruch bestätigt die Comebackerin eindrücklich den Aufwärtstrend, den sie mit kleineren Turniersiegen in St. Petersburg, Hua Hin, Taipeh und Dubai, sowie mit dem Hopman-Cup-Triumph an der Seite Roger Federers und dem Sieg beim Einladungs-Event in Kooyong, Melbourne. Belinda Bencic hat ihre Aussie Open 2018 mit einem Paukenschlag eingeläutet. Sie ist definitiv zurück – die nächsten Gegnerinnen sind gewarnt. In der zweiten Runde ist dies die Thailänderin Kumkhum (24, WTA 125). Sie schlug die Schwedin Johanna Larsson (WTA 80).