Blick-Tennisexperte Günthardt
«Djokovic hat die Ausstrahlung und den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren»

Novak Djokovic hat in Carlos Alcaraz schon wieder seinen Meister gefunden. Der Rekordmann war im Wimbledon-Final nicht mehr er selbst – und trotzdem muss man sich vor «Nole» verneigen.
Publiziert: 15.07.2024 um 10:26 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2024 um 10:45 Uhr
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Der Mann auf der Anzeigetafel war einfach zu gut für Novak Djokovic.
Foto: AFP
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Heinz GünthardtBlick-Kolumnist

Die verkorkste bisherige Saison hat bei Novak Djokovic (37) Spuren hinterlassen. Das wurde im Wimbledon-Final deutlicher denn je. Das übliche Selbstvertrauen, das ihn in Endspielen normalerweise ausgezeichnet hat, fehlte komplett. Er zögerte, wo er früher durchgezogen hätte. Er machte Fehler, die er üblicherweise nicht beging.

Der 24-fache Grand-Slam-Champion hat die Ausstrahlung und den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Es fehlte ihm der Fluss in seinem Spiel – und das hat natürlich auch mit seinem Gegner zu tun. Novak hat richtig Respekt vor Carlos Alcaraz (21). Nicht erst seit dem verlorenen, legendären Wimbledon-Final im letzten Jahr.

Das hängt auch damit zusammen, dass er nun mit «Carlitos» einen Widersacher hat, der ihm mehr als nur Paroli bieten kann. In diesem Final sahen wir es wieder: Sobald sich Djokovic im dritten Satz gesteigert hat, war da ein Alcaraz auf der anderen Seite des Netzes, der dagegenhalten konnte. Selbst Novaks bestes Tennis reichte plötzlich nicht mehr. Der Spanier spielte einfach brillant.

Da muss man sich schon die Frage stellen: Was liegt noch drin für Djokovic? Ist er noch fähig, in einem Fünfsätzer das Level durchzuziehen? Diese Antworten werden wir erst in den nächsten Wochen und Monaten bekommen.

«Vor jedem anderen würden wir nun auch den Hut ziehen»

War dieser grandiose Alcaraz-Sieg in Wimbledon die definitive Wachablösung? Ich sage trotz allem: Nein. Der gute «Nole» stand immerhin im Final. Und das nur wenige Wochen nach einer Knie-Operation, einer ultrakurzen Reha und dem Bangen, ob er überhaupt an der Church Road antreten können wird.

Dass er nach dieser Vorgeschichte im Alter von 37 Jahren in den Final einzieht, ist eine Wahnsinnsleistung. Forfait-Sieg gegen den verletzten Alex De Minaur (25) im Viertelfinal hin oder her. Vor jedem anderen würden wir nun auch den Hut ziehen. Ich finde, das muss man jetzt auch im Fall von Djokovic tun.

Und ausserdem: Es war immer noch grossartig, was er gegen Alcaraz im dritten Satz teilweise geboten hat. Davon wollen wir noch mehr sehen! Vielleicht schon an den Olympischen Spielen in Paris Ende Monat? Ich bin der Meinung, dass man sein eindrückliches Wimbledon-Comeback auch als Ansage an die Konkurrenz betrachten kann. Er ist auf dem Weg zurück!

Eine Wachablösung ist das noch nicht. Doch die Situation an der Weltspitze ist mittlerweile eine andere. Es gab eine Kehrtwende. Jetzt weiss die junge Generation endgültig, dass sie auf der Ebene angekommen ist, auf der Djokovic jahrelang operierte. Und Alcaraz (und Weltnummer eins Jannik Sinner, 22) wissen auch, dass sie dieses Niveau halten können. Offen ist nun hingegen aber, ob Djokovic wieder ganz der Alte werden kann.

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