Blick-Buchli über Novak Djokovic
Ein Superstar demontiert sich selber

Am Montag ist die Anhörung im Einreise-Theater um Novak Djokovic. Der 20-fache Grand-Slam-Sieger habe seinen Ruf nachhaltig zerstört, meint Blick-Sportchefin Steffi Buchli.
Publiziert: 09.01.2022 um 01:42 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2022 um 11:25 Uhr
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Was ist nur aus dem charismatischen Tennisstar geworden? Ein Impfskeptiker, der den Zorn eines ganzen Landes auf sich zieht, der sein Image mit wirren Aussagen zerstört.
Foto: AFP

Neunmal hat er die Australian Open gewonnen: Novak Djokovic (34). Der zehnte Pokal würde ihn zum alleinigen Rekordhalter machen. Würde. Denn die diesjährige Turnierteilnahme ist mehr als unwahrscheinlich.

Djokovic im Corona-Abseits

Da hockt er in einem abgewrackten Quarantänehotel in Melbourne. Die Weltnummer eins. Was ist nur aus dem charismatischen Tennisstar geworden? Ein Impfskeptiker, der den Zorn eines ganzen Landes auf sich zieht, der sein Image mit wirren Aussagen zerstört. Der Serbe hat sich total ins Corona-Abseits manövriert.

Monatelang lässt er die Welt über seinen Impfstatus rätseln. Kann man machen, Privatsache. Dann posiert er neben einem Gepäckstapel und kündigt an, dass er jetzt dank einer «Spezialbewilligung» nach Melbourne reisen werde. Die australische Regierung und der Grenzschutz schalten sich ein, die Volksseele brodelt. Die Leute sind nach dem weltweit am längsten andauernden Lockdown entnervt.

Krimi, Trauerspiel oder Tragikomödie?

Weil der mutmasslich ungeimpfte Djokovic nicht ausreichend belegen kann, dass er die Einreisebestimmungen erfüllt, wird sein Visum annulliert. Mit einer einstweiligen Verfügung kaufen sich seine Anwälte Zeit. Am Montag soll entschieden werden, ob er bleiben darf oder nicht. Man ist sich nicht ganz sicher: Ists ein Krimi, ein Trauerspiel oder doch eine Tragikomödie?

In Serbien verliest derweil Novak Djokovics Bruder eine Nachricht der Tennis-Weltnummer eins: «Gott sieht alles. Moral und Ethik sind die leuchtenden Sterne zum spirituellen Aufstieg. Meine Gnade ist spirituell, ihre Gnade (die der Australier, Anm. der Red.) ist weltlicher Reichtum.» Hä? Wer kann da noch folgen? Novak sei Serbien und Serbien sei Novak, fügt der Vater kämpferisch an und ruft zu Demonstrationen für seinen Sohn auf, der gefangen gehalten werde.

Seltsam, fast ein wenig verstörend

Das alles mutet mehr als seltsam an, fast ein wenig verstörend. Was will Djokovic? Aufmerksamkeit? Zuspruch? Respekt? Oder will er eben gar nichts mehr? Hat er zu lange um die Liebe des Publikums gebuhlt und sich irgendwann eingestehen müssen, dass Rafael Nadal und Roger Federer für immer und ewig beliebter und mehrheitsfähiger sein werden?

Frei nach dem Sprichwort «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert», näherte sich Djokovic vor ein paar Jahren einem Guru an, begann schulmedizinische Ansätze abzulehnen und zeigte sich überzeugt, dass sich schmutziges Wasser durch Gebete säubern liesse. Djokovic wird immer seltsamer.

Ihm dabei zuzusehen, tut weh

20 Grand-Slam-Titel schützen vor Verwirrtheit nicht. Einer der erfolgreichsten Sportler der Gegenwart demontiert sich gerade selber. Ihm dabei zuzusehen, tut weh. Morgen folgt die nächste Episode im Djokovic-Theater. An ein Happy End glaubt niemand. Ausser vielleicht Djokovic selber. Aber der glaubt ja auch sonst allerhand.


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